Denkmal im Wald: Berliner Lenin-Kopf wird ausgebuddelt
Jahrelang wuchs Gras über das steinerne Haupt Lenins. Der wird nun in den nächsten Tagen tatsächlich wieder ausgebuddelt und in Spandau ausgestellt.
Lenin kommt wieder. Nach knapp 24 Jahren in Berliner Erde wird der riesige Granitkopf des russischen Revolutionärs ausgebuddelt. Noch wird der genaue Termin wie eine geheime Kommandosache gehütet. Am Donnerstag, 10. September 2015, gegen 12 Uhr, soll Lenins Kopf in der Zitadelle Spandau eintreffen. Es könnte der Schlusspunkt einer skurrilen Geschichte von Zauneidechsen, Vergessen und dem Umgang mit der eigenen Vergangenheit geht. Nach langem Hickhack soll der 1991 als Symbol für den Untergang der DDR vom Sockel gestürzte Stein-Lenin ins Museum kommen.
Mitte September werde das 1,70 Meter hohe Haupt aus rotem Granit geborgen – aber nur im kleinsten Kreis, heißt es in der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Die Auflagen vom Naturschutz sind wirklich hoch“, sagt Sprecherin Petra Rohland. Kamerateams aus aller Welt wollten dabei sein, wenn der Lenin-Kopf in die Höhe gehievt wird.
Eidechsen wurden zum Hindernis
Am Montag wies die Senatsverwaltung noch einmal darauf hin, dass den zahlreichen Anfragen nicht entsprochen werden könne. „Die Bergung findet in einem Waldgebiet statt, das ausschließlich von Forstfahrzeugen befahren werden darf“, hieß es. „Das Gebiet der Lagerung des Lenin-Denkmals ist eingezäunt und der unmittelbare Bereich der Bergung ist mit einem Bauzaun abgesperrt.“ Heißt im Klartext: Bitte bleibt zu Hause, die Sache ist schon schwierig genug!
Der zerlegte Koloss liegt irgendwo im Köpenicker Forst verbuddelt. Von den knapp 130 Teilen soll nur der Kopf gehoben werden. Über dem entsorgten DDR-Denkmal wuchsen jahrelang nicht nur Gras und Birken, auf dem Lenin-Hügel siedelten sich auch Eidechsen an. Die große Population wurde fast zum unüberwindbaren Hindernis.
Doch nun sind sie umgesiedelt – mit Sondergenehmigung. Erst mit Eimern eingesammelt, könnten sich die Echsen nun einen Hügel weiter sonnen, versichern Fachleute. Große Erschütterungen würden sie aber nicht vertragen. Deshalb dürfe die Bergung nur wenige Stunden dauern – noch ein Grund, warum man den Kreis der Eingeweihten lieber klein halten möchte.
19 Meter hoch war die Statue
Auch andere Argumente gegen Lenin wurden zunächst aufgetürmt. Noch vor einem Jahr kündigte der Senat an, der Granitschädel bleibe im Boden und werde nicht wie geplant in der Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ gezeigt. Es gebe keinen finanziellen Spielraum. Zudem wisse man nicht, wo Lenin genau liegt. Dafür gab es Spott und Kritik gleichermaßen.
In Ost-Berlin blickte der steinerne Riesen-Lenin aus luftiger Höhe auf dem nach ihm benannten Platz – dem heutigen Platz der Vereinten Nationen. 19 Meter hoch war die vom sowjetischen Bildhauer Nikolai Tomski geformte Statue, die im April 1970 zum 100. Geburtstag des „Begründers des Sowjetstaates“ vor neuer Hochhauskulisse enthüllt worden war.
Um die Ausstellung wird gestritten
In der Euphorie vieler nach dem Mauerfall verschwanden nicht nur schnell große Teile des Betonwalls. Auch Staatsdenkmäler wurden abgebaut. Das Nachdenken über einen kritischen Umgang mit den Zeugen der untergegangenen DDR setzte erst später ein. Nach Protesten, Prozessen und heftigem Hickhack waren auch Lenins Berliner Denkmaltage gezählt. Im November 1991 rückten Bauarbeiter mit Bagger und Kran an.
Um die Ausstellung mit Lenin als Kernstück und rund 150 Büsten und Statuen seit dem 18. Jahrhundert wird seit Jahren gestritten. Mehrmals musste die Eröffnung in der Spandauer Zitadelle verschoben werden – nicht nur wegen Lenin, sondern auch wegen Bauproblemen.
Ein kleiner Granitbrocken
Museumsleiterin Andrea Theissen lässt sich nicht beirren. „Wir machen keine Kunstausstellung, sondern eine Ausstellung zur Geschichte“, hatte die Historikerin zuletzt gesagt. Als Zeichen politischer Herrschaft, ideologischer Legitimation oder als Orte des Gedenkens veranschaulichten Denkmäler Vergangenheit.
„Sie wurden abgerissen, umgesetzt, in Depots abgestellt oder vergraben.“ Gerade das Lenin-Denkmal zeige, wie deutsche Geschichte entsorgt worden sei. Wenn der Lenin-Kopf im Museum eintrifft, soll er gesäubert und „zurechtgemacht“ werden, heißt es. Und damit er dann gut zu sehen ist, bekommt der Granitbrocken einen Sockel. Aber nur einen kleinen. (mit dpa)