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Bald könnten auf dem Stundenplan für Berlins Schüler auch wieder Ausfallzeiten stehen.
© dpa

Keine Verbeamtung: Berliner Lehrer auf dem Sprung

Die rot-schwarze Absage an die Wiederverbeamtung verschärft die Personalnot an Berliner Schulen. Und nun drohen auch noch Hunderte Nachwuchskräfte mit Weggang.

Diesmal könnte sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verschätzt haben: Sein Sieg bei der Frage der Nichtverbeamtung von Lehrern verschärft die Engpässe an den Schulen. Schon ist von einem „Ausbluten der Kollegien“ die Rede. Hunderte Junglehrer, so die Einschätzung vieler Schulleiter, könnten Berlin zum Sommer den Rücken kehren, um auf attraktivere Positionen in anderen Ländern zu wechseln. Sie hatten bis zuletzt auf eine Rückkehr zur Verbeamtung gehofft, bis Wowereit bei den rot-schwarzen Verhandlungen die Nichtverbeamtung für die nächsten fünf Jahre durchgesetzt hatte – gegen den Rat vieler Bildungsfachleute aus den eigenen Reihen und gegen die Forderung der CDU.

Was das für einzelne Schulen bedeuten kann, illustrierte am Montag Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren: Sein einziger Informatiklehrer am Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasium will gehen – und er ist nicht der Einzige. „Dann kann ich Informatik in der gymnasialen Oberstufe einstellen“, lautet Treptows Perspektive. Er hat inzwischen SPD-Abgeordnete und Schulräte angeschrieben, um seiner Wut Luft zu machen. Zudem hofft er darauf, dass sich die Bildungsfachleute doch noch durchsetzen, wenn das Ausmaß der „Katastrophe“ deutlich wird.

An vielen Schulen spielen sich zurzeit ähnliche Szenen ab. „Mehrere Lehrer haben bei uns Freistellungsanträge gestellt“, heißt es aus einem Gymnasium in Tempelhof-Schöneberg. Darunter auch solche mit Mangelfächern wie Latein oder Mathematik. Das sei vor allem deshalb nicht zu verschmerzen, weil die Personaldecke schon jetzt dünn sei aufgrund der schwierigen Lage im sozialen Brennpunkt. Aus einem Neuköllner Gymnasium heißt es, man müsse schon jetzt „jeden Idioten“ einstellen, um überhaupt die Stunden abdecken zu können. Was im Sommer passieren werde, sei gar nicht auszudenken.

Tatsächlich sind viele Schulen schon jetzt in einer schwierigen Lage. Seitdem Berlin 2004 beschlossen hatte, Lehrer nicht mehr zu verbeamten, vergrößern sich die Probleme jährlich. Zunächst konnten die Lücken mit Überhangkräften aus dem Ostteil gefüllt werden, später behalf man sich durch Abstriche bei den Einstellungsanforderungen. Als auch das nicht mehr half, gingen Schulen dazu über, nicht mehr die Fachlehrer einzustellen, die sie brauchten, sondern irgendwelche anderen, um wenigstens rein quantitativ eine volles Kollegium zu erreichen. Eine Verschnaufpause erzielte Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), weil er Junglehrern 1200 Euro zusätzlich im Monat zahlen konnte. Damals war durch eine Abwerbeaktion aus Baden-Württemberg die Lage besonders prekär.

Inzwischen reicht diese Zulage nicht mehr, wie auch das Beispiel des Lankwitzer Beethoven-Gymnasiums zeigt. Hier haben fast alle angestellten Lehrer ihren Weggang angedroht. Niemand weiß, wie die Lücken geschlossen werden könnten. Umso größer ist die Wut darüber, dass es im rot-schwarzen Koalitionsvertrag keinerlei Hinweise darauf gibt, was den Lehrern statt einer Verbeamtung angeboten werden könnte – wie beispielsweise eine Verringerung des Stundensolls, mehr Geld oder eine bessere Sicherung bei Berufsunfähigkeit. Die Lehrergewerkschaft GEW will am heutigen Dienstag eigene Vorschläge unterbreiten.

„Es gibt Schulen, die werden infolge der Pensionierungen und der gestellten Freistellungsanträge zum neuen Schuljahr ein halbes Kollegium ersetzen müssen“, sagt Treptow. Die Politik könne das nicht ignorieren. Personalentwicklung sei unter diesen Umständen gar nicht mehr möglich.

„Wir müssen das weiter beobachten“, kündigte am Montag die CDU-Bildungspolitikerin Katrin Schultze-Berndt an. Ähnlich wie ihre Kollegin aus der SPD, Renate Harant, geht sie davon aus, dass in der Frage der Verbeamtung das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

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