Vor dem Arzt kommt der Sozialarbeiter: Berliner Impfkampagne für Brennpunkte startet in Neukölln
Im Bezirk Neukölln wird ab Montag in fünf sozialen Brennpunkten besonders für Corona-Impfungen geworben. Die Helfer müssen Widerstände und Skepsis überwinden.
Ab Montag will der Senat vermehrt in Brennpunktvierteln der Stadt impfen. Der erste Bezirk, in dem das Schwerpunktprojekt anläuft, ist Neukölln – und zwar in Gegenden mit einer hohen Inzidenz, wie etwa dem Rollbergviertel und der Gropiusstadt. In insgesamt fünf sozial schwierigen Gebieten Neuköllns soll es losgehen.
Doch bevor die Spritze gesetzt wird, müssen hier viele erst überzeugt werden, dass die Corona-Impfung etwas Gutes ist. Dafür werden Sozialarbeiter, das Quartiersmanagement und Vertrauenspersonen in den betroffenen, vor allem migrantischen Milieus, Gespräche führen. „Ab Montag“, sagt Nicolai Savaskan, der Amtsarzt von Neukölln, „läuft die ganze Aufklärungsmaschinerie.“
Es geht darum, Menschen Ängste zu nehmen, sie zum Impfen zu motivieren und so die Infektionszahlen abzusenken. Gerade in sogenannten sozialen Brennpunkten gibt es viele Covid-19-Fälle. Nach Neukölln soll das Projekt auch in anderen Bezirken starten.
Angestoßen wurde es durch die Senatsgesundheitsverwaltung am vorvergangenen Freitag bei der Sitzung aller zwölf Gesundheitsstadträte. Die Grundidee, sagt Savaskan, lautete: Der Bezirk benennt die entsprechenden Gebiete, und mobile Impfteams der Senatsgesundheitsverwaltung fahren dann los und impfen vor Ort die Menschen. Erster angedachter Impftag: dieser Montag.
Der Amtsarzt hält den Zeitplan für unrealistisch
Dass es gleich am Montag tatsächlich schon mit dem Immunisieren losgeht, ist reine Theorie. „Ich sehe nicht, dass wir am Montag schon mit dem Impfen beginnen können, ich sehe sogar den Dienstag kritisch“, sagte Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) dem Tagesspiegel. Die Vorbereitungszeit sei schlicht zu kurz. „Wir können ja nicht mit dem Megafon auf der Straße verkünden: So, jetzt kommen sie bitte alle mal zum Impfen.“
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Auch Nicolai Savaskan hält den Zeitplan des Senats für unrealistisch. „Wir müssen die Menschen erst mal erreichen und ihnen genügend Informationen geben.“ Gerade in den Brennpunktvierteln seien der Widerstand und die Skepsis gegenüber den Corona-Impfungen sehr groß. „Da muss man erstmal vertrauensbildende Maßnahmen machen.“ Deshalb würden Sozialarbeiter, Quartiermanager und Vertrauenspersonen aus dem Stadtteil einbezogen.
Festgelegt habe die Impftermine ab Montag die Senatsgesundheitsverwaltung, sagt Savaskan. „Aber wir haben dagegen opponiert. Es muss so laufen, dass wir mitteilen, wenn wir genügend Menschen vom Impfen überzeugt haben.“ Ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung erklärte auf Anfrage: „Die Bezirke bereiten sich vor, wir bereiten uns gemeinsam vor. Wir informieren sobald wie möglich dazu.“
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Wenigstens ist klar, dass bei dieser Kampagne alle Impfstoffe verwendet werden sollen, nicht ausgewählte. In Deutschland sind zurzeit Präparate von Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson&Johnson zugelassen.
Impfteams, Impfstoff, Räume: Neuköllner Stadttrat hat noch Fragen
Stadtrat Liecke steht trotzdem noch vor vielen Fragen: „Wie viele Impfteams kommen? Wie viel Impfstoff wird geliefert? Welche Anforderungen haben die Impfteams? Welche Räumlichkeiten brauchen sie? Der Informationsfluss läuft sehr zäh.“
Neukölln hat seit Februar ein ausgearbeitetes Aufklärungssystem zum Thema Impfung, „das wird jetzt nur noch intensiviert“, sagt Amtsarzt Savaskan. Der Bezirk bietet damit auch Anschauungsunterricht für die restlichen Bezirke. „Die lernen dann“, sagt Savaskan, „aus unseren Fehlern.“