Tourismus in Wohngebieten: Berliner Hostel-Anwohner kämpfen um Ruhe
Der Berlin-Tourismus brummt – und zwar besonders nachts im Umkreis großer Hostels, was die Nachbarn zur Verzweiflung treibt. Ein Hostelmanager rät den Geplagten, wegzuziehen. Das Problem ist symptomatisch für die Hauptstadt, in der es immer enger wird.
Als die Wasserbombe auf dem Kopf von Thekla M. detonierte, war die Polizei schon unterwegs. Am Tatort, dem A&O Hostel in der Köpenicker / Ecke Adalbertstraße, habe es nämlich zuvor einen Diebstahl und Gerangel gegeben, erzählt die Mittfünfzigerin. Es war Ende August, kurz vor Mitternacht. Auf der Fahrbahn lag die geplatzte Plastiktüte, am Rand stand Thekla M. triefnass und mit Nackenschmerzen. Immerhin hatte der Treffer sie nicht vom Fahrrad gerissen. Ein Rettungswagen brachte sie vorsichtshalber ins Krankenhaus. Die Polizei schrieb eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Als Thekla M. wieder zu Hause war in ihrer Baugruppenwohnung gegenüber dem Seitenflügel des Hostels, war ihr klar, dass diese Nachbarschaft kein gutes Ende nehmen würde. Vorher habe sie sich eher um die Jugendlichen gesorgt, die angetrunken aus den Fenstern urinierten. Jetzt sorgt sie sich um sich selbst.
Diese Nachbarschaft ist ein lokales Problem, aber ein symptomatisches für die Stadt, in der es enger wird. „Da wir unseren Betrieb nicht vom Ort fortbewegen können und wir vor Ihnen da waren, können nur Sie weichen durch Fortzug“, schreibt A&O-Chef Oliver Winter in seiner Antwort auf Thekla M.s Beschwerde. Die hatte nach dem Vorfall eher einen Blumenstrauß erwartet als einen solchen Rat.
Manager: Wir können unseren Standort nicht aufgeben
Auf Nachfrage versichert der Manager, der Brief sei nicht zynisch gemeint. „Aber wir können doch einen Standort mit 1200 Betten nicht aufgeben.“ Man sei vor neun Jahren auch deshalb in den Plattenbau in der Köpenicker Straße gezogen, weil es damals keine Wohnungen in direkter Nachbarschaft gab. Allein bei normaler Belegung ergäben sich 800 bis 900 Gästebewegungen pro Tag und damit manche Unannehmlichkeiten für die neuen Nachbarn. „Jetzt sind die da hingezogen und nörgeln jeden Tag herum.“
Thekla M. beklagt, dass das Hostel sogar noch um einen zuvor von der Finanzverwaltung genutzten Gebäudeflügel erweitert worden sei, während gegenüber die Wohnhäuser entstanden. Auch finde sie, dass Wurfgeschosse nicht zum normalen Hotelbetrieb gehören. Das sieht der Manager zwar ebenso, aber aus seiner Sicht ist das Mögliche bereits getan worden: Jede Jugendgruppe werde bei der Begrüßung belehrt, Aushänge mahnten zu Ruhe und in den – vor allem von potenziell eher rowdyhaften Jugendlichen belegten – Mehrbettzimmern könnten die Fenster nur angekippt werden. Die Wasserbombenattacke müsse aus einem Doppelzimmer gekommen sein.
Thekla M. will nun weitere Verbündete suchen, um dem Hostel Druck zu machen. In Moabit, wo genervte Nachbarn des Hostels an der Lehrter Straße bereits Lärmprotokolle führen, ist sie fündig geworden. Die schärfste Waffe der Anwohner ist das Immissionsschutzgesetz, das die Nachtruhe ab 22 Uhr regelt. Bei Verstößen sind Geldstrafen möglich.
Tourismus-Werber: Wir erkennen keinen Ballermann-Tourismus in Berlin
Die Polizei äußert sich nicht dazu, wie viel sie mit Belästigungen um die vor allem für Klassenfahrten und bei Jugendlichen beliebten Groß-Hostels zu tun hat. Burkhard Kieker, Chef der Tourismuswerber von Visit Berlin, stellt klar: „Wir erkennen nicht, dass sich in Berlin ein Ballermann-Tourismus entwickelt.“ Die billigen Hostels bedienten ein Marktsegment, und auch Schulklassen brächten Geld in die Stadt, weshalb man gezielt um sie werbe.
Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes, weiß nur von vereinzelten Problemzonen wie der Wilhelmstraße, wo die Nachbarn in den Plattenbauten unter der Masse der oft überbelegten Ferienwohnungen in ihren Häusern leiden. Über die großen Hostels wie jene am Zoo und am Alex mit jeweils mehr als 800 Betten gebe es dagegen keine Beschwerden. Auch von einem generellen Problem mit jugendlichen Gästen könne keine Rede sein. Kieker bestätigt das – und geht davon aus, dass solche Probleme mit gesundem Menschenverstand plus Kontrollen in den Griff zu bekommen sind. Lengfelder rät Nachbarn, sich bei Ärger an die Hostelbetreiber zu wenden. Die seien „in der Regel an einem guten Verhältnis zu den Anwohnern interessiert“. In der Regel.
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