Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche: Berliner Frauenärztin kämpft gegen §219a
Die Steglitzer Gynäkologin Bettina Gaber führt Schwangerschaftsabbrüche durch und informiert darüber auf ihrer Webseite. Die Anklage möchte sie aussitzen.
Wer bietet in Berlin Schwangerschaftsabbrüche an? Das Hauptstadtportal berlin.de führt eine Liste mit den Berliner Ärzten, die bereit sind, öffentlich in diesem Zusammenhang genannt zu werden. „Das ist doch alles Mist“, sagt die Steglitzer Gynäkologin Bettina Gaber nach einem kurzen Blick auf die Liste. 74 Frauenärzte stehen auf dieser Liste. „Auf Anhieb sehe ich hier mindestens vier Ärzte, die inzwischen nicht mehr praktizieren.“ Außerdem sei es für betroffene Frauen in einer so sensiblen Situation wichtig, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer sich hinter diesen Namen verbirgt.
Die Webseite einer Praxis kann so ein Gefühl vermitteln. Deswegen hat sich die 56-jährige Gynäkologin ganz bewusst dazu entschieden, den hoch umstrittenen Satz auf ihrer Webseite stehen zu lassen: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber.“ Diese Information reicht womöglich aus, um als „Werbung“ für einen Schwangerschaftsabbruch gedeutet zu werden und damit gegen den Paragrafen 219a des StGB zu verstoßen. Ein Paragraf, der 1933 eingeführt wurde und „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche „des Vermögensvorteils wegen“ verbietet. Danach ist der Paragraf lange Zeit in Vergessenheit geraten.
"Lebensschützer"-Duo hat den Paragrafen 219a bekannt gemacht
Als Gaber die Praxis 2009 gemeinsam mit ihrer Kollegin Verena Weyer eröffnete, hatte sie vom Paragrafen 219a noch nie gehört. Inzwischen wird das so keine Frauenärztin mehr von sich sagen können. Denn seit einigen Jahren hat sich ein militantes Duo aus selbsternannten „Lebensschützern“ zum Ziel gesetzt, bundesweit Ärzte anzuzeigen, die auf ihrer Webseite darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen. So haben sie auch Bettina Gaber und Verena Weyer angezeigt. Einer der beiden „Lebensschützer“ ist ein seit Jahren bekannter Abtreibungsgegner, der eine Webseite betreibt, auf der er Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust gleichsetzt.
Berlinweit ist die Steglitzer Praxis „Gynäkologie am Schloss“ die einzige, die auf ihrer Webseite über Schwangerschaftsabbrüche informiert. Im Sommer hatte die Staatsanwaltschaft der Gynäkologin sogar angeboten, das Verfahren fallen zu lassen, wenn sie den Satz von ihrer Webseite nimmt. Doch das möchte Gaber nicht. Lieber setzt sie ein Zeichen, damit der Paragraf 219a irgendwann aus dem Strafgesetzbuch verschwindet. Als Kampf für Frauenrechte betrachtet sie diese Information, als Recht auf Informationsfreiheit. „Ich möchte, dass die Kriminalisierung von Frauenärzten weniger wird“, sagt Gaber. „Außerdem möchte ich es Frauen, die sich ohnehin in einer äußerst konfliktiven Situation befinden, nicht zumuten, sich durch irgendwelche Listen zu telefonieren.“ Listen, die mitunter gar nicht auf dem aktuellsten Stand sind.
"Abtreibung als Verhütungsmittel?! Das gibt es nicht!"
Für Frauen, die erwägen, ihre Schwangerschaft abzubrechen, sei es noch wichtiger als für andere Patientinnen, dass sie sich in einer Praxis gut aufgehoben fühlen. „Da liegt es doch nahe, erst einmal zu googeln und sich Fotos der Ärztinnen und des Teams anzugucken und sich zu fragen: Fühle ich mich da wohl?“ In die Praxis am Rathaus Steglitz kommen viele Patientinnen, weil sie den Internetauftritt so sympathisch finden. Sie möchten nicht mit dem Stigma konfrontiert werden, leichtfertig abzutreiben.
„Abtreibung als Verhütungsmittel?! Das gibt es nicht!“ Da ist sich Gaber sicher. „In meinem ganzen Leben habe ich noch keine einzige Frau kennengelernt, der es leicht fiel, ihre Schwangerschaft abzubrechen.“ Seit 2009 kommen mehrmals pro Woche Frauen zu ihr, die sich für einen Abbruch entscheiden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche Frauen sind 15 und haben die Schule noch nicht beendet, andere sind 43, haben bereits drei Kinder und können sich ein weiteres Kind nicht leisten. Nicht wenige Frauen befürchten, von der Familie verstoßen zu werden.
Bettina Gaber wartet eventuelle Gesetzesänderung ab
Gaber wartet jetzt zunächst einmal ab. Sich den selbsternannten „Lebensschützern“ einfach zu beugen, kommt für sie nicht infrage. Vergangene Woche haben CDU und SPD ein Kompromisspapier zum umstrittenen Paragrafen 219a entwickelt, das nun als Grundlage für eine eventuelle Gesetzesänderung dienen soll. Das Papier der Koalitionspartner schlägt vor, den Paragrafen 219a anzupassen. Nicht zu streichen, wie es Grüne und Linke vorgeschlagen hatten. Auch die FDP wollte nur noch "grob anstößige Werbung" ahnden. Das Werbeverbot soll beibehalten werden, aber es soll Ärzteregister geben, die betroffene Frauen bei der Bundesärztekammer und bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erfragen können. Dass das eine Hilfe für betroffene Frauen darstellt, bezweifelt der Verbund von ProFamilia, einem Zusammenschluss aus Beratungsstellen für Schwangere.
Vermutlich wird in diesem Jahr kein Verfahren mehr gegen Gaber eröffnet. Und falls doch, hofft sie auf solidarische Unterstützung von Kolleginnen und Öffentlichkeit, wie sie auch die Gießener Ärztin Kristina Hänel erfahren hat. Um die Gerichtskosten und das Bußgeld zu tragen, wurde ein Spendenkonto für Hänel eingerichtet, auf das Beträge im fünfstelligen Bereich eingegangen sind. Bereits jetzt erhält Gaber moralische Unterstützung von Kolleginnen, der Ärztekammer und dem Berufsverband der Frauenärzte. Außerdem erhält sie zahlreiche Briefe von Patientinnen und ihr wildfremden Frauen: „Frau Dr. Gaber, danke! Sie tun genau das Richtige!“