Paragraf 219a: Groko findet Kompromiss bei Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche
Die Bundesregierung legt ihren Streit um eine Reform des Paragrafen 219a bei. Die Grünen und betroffene Medizinerinnen kritisieren die Lösung.
Der Koalitionskompromiss im Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Die neue CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer begrüßte in der Nacht auf Donnerstag, dass das Werbeverbot erhalten bleibe. Scharfe Kritik kam dagegen von den Grünen und der auf Grundlage des umstrittenen Strafrechtsparagrafen 219a verurteilten Ärztin Kristina Hänel.
"Der Schutz des Lebens, ungeborenes und geborenes, hat für CDU überragende Bedeutung", schrieb Kramp-Karrenbauer bei Twitter. "Deshalb gut, dass Werbeverbot bleibt."
Die Grünen-Abgeordneten Katja Keul und Ulle Schauws kritisierten dagegen, die Bundesregierung lege einen "unausgegorenen Vorschlag vor", nur um den Strafrechtsparagrafen nicht streichen zu müssen "und weiter auf Zeit zu spielen". Die Umsetzung einer angekündigten Ergänzung des Paragrafen bleibe "völlig nebulös". Ärzten und Frauen werde weiterhin Misstrauen entgegengebracht. Dies zeige die ebenfalls von der Koalition geplante Studie über seelische Folgen nach einem Schwangerschaftsabbruch.
Die Ärztin Hänel und die Medizinerinnen Natascha Nicklaus und Nora Szász erklärten, sie als von Strafverfahren betroffene Ärztinnen seien "entsetzt". Bei genauerem Hinsehen erweise sich der Vorschlag als "Null-Nummer". So solle Paragraf 219a inklusive seiner Strafandrohung von zwei Jahren Gefängnis "komplett bestehen" bleiben. "Die restlichen Vorschläge, die die Situation verbessern sollen, sind flankierende Maßnahmen, die bereits jetzt möglich sind."
Die drei Ärztinnen erklärten, sie seien empört, „dass aus politischem Machtkalkül“ Frauenrechte verraten und Medizinerinnen weiterhin kriminalisiert würden. „Informationsrechte sind Menschheitsrechte. Das gilt auch für Frauen“, heißt es in der Erklärung. Hänel ist vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche als Leistung angeboten hatte. Die Medizinerin hat Revision eingelegt. Die Kasseler Ärztinnen Nicklaus und Szász müssen sich Ende Januar erneut vor Gericht verantworten.
Die evangelische Kirche hingegen bewertete den Kompromiss positiv. „Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, in der Frage des Werbeverbots für den Schwangerschaftsabbruch für Klarheit zu sorgen“, erklärte der Bevollmächtigte der EKD in Berlin, Martin Dutzmann, in Berlin. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz äußerte sich zurückhaltender.
Regierung will Rechtssicherheit schaffen
Union und SPD hatten sich am Mittwochabend nach monatelangem Streit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche auf einen Kompromiss geeinigt. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte nach mehrstündigen Beratungen der zuständigen Bundesminister in Berlin, eine rechtliche Neuregelung solle festlegen, dass und wie Ärzte und Krankenhäuser künftig darüber informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Werbung dafür dürfe es aber auch künftig nicht geben. Wie die künftige Regelung genau aussehen soll, blieb zunächst offen.
Die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen Kontaktinformationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellen. "Diesen Informationsauftrag wollen wir gesetzlich verankern", hieß es in der gemeinsamen Erklärung der zuständigen Minister von Union und SPD. Der neue Gesetzentwurf solle im Januar vorgelegt werden, sagten Braun und Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD).
Die Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten und der Schutz des ungeborenen Lebens seien gemeinsames Anliegen der Koalitionspartner, hieß es in dem Text weiter. Frauen, die sich letztlich für einen Abbruch entscheiden, sollten eine dafür geeignete Einrichtung finden können. Konkret soll für die Neuregelung der bisherige Paragraf 219a ergänzt und das Schwangerschaftskonfliktgesetz geändert werden.
Barley sagte, die Einigung bringe die erforderliche Rechtssicherheit und berge die Chance für einen breiten gesellschaftlichen Konsens. "Wir sorgen dafür, dass Ärzte Rechtssicherheit erhalten", betonte die Ministerin.
Auch der an den Beratungen beteiligte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte die erzielte Einigung. "Die Koalition hat gezeigt, dass sie auch schwierige Diskussionsprozesse erfolgreich gestalten kann." SPD-Chefin Andrea Nahles kündigte an, ihre Fraktion werde nunmehr den genauen Gesetzestext abwarten, bewerten "und schließlich darüber abstimmen". (AFP, dpa)