Airlines warnen vor Personalabbau: Berliner Flughafenchef will Tegel schließen
Die Branche kritisiert Pläne von Engelbert Lütke Daldrup für ein zeitweises Tegel-Aus, zu hoch seien die Umzugskosten zum Flughafen Schönefeld und wieder zurück.
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will den Standort Tegel wegen des Zusammenbruchs des Luftverkehrs zeitweise schließen, doch die Branche hält das für nicht verantwortbar. In einem Schreiben an den Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, Rainer Bretschneider, warnen der Verband der Deutschen Fluggesellschaften und der Verband ausländischer Airlines in der Bundesrepublik vor den Gedankenspielen.
In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, gehen die Verbände von massiven sozialpolitischen Folgen aus, sollte sich Lütke Daldrup am Mittwoch im Aufsichtsrat und vor den Gesellschaftern Berlin, Brandenburg und Bund durchsetzen. Es drohe ein massiver Arbeitsplatzabbau in beiden Bundesländern, in denen jeweils die SPD in Regierungsverantwortung ist.
Die Pläne dürften „nicht weiter verfolgt werden“. Zugleich warnen die Verbände, „welche politische Signalwirkung die Schließung des nach wie vor Hauptflughafens der Bundeshauptstadt erzeugen würde“.
Mit der Lufthansa hatte bereits Deutschlands größte Airline Lütke Daldrups Pläne abgelehnt. Die Gesellschafter hatten Ende März einen Beschluss zur Tegel-Zukunft vertagt, Lütke Daldrup aber freie Hand gelassen, seine Pläne voranzutreiben. Denen zufolge könnte Tegel zeitweise schließen und die wenigen verbliebenen Flüge über den alten Schönefelder Flughafen abgewickelt werden.
Lufthansa und Branchenverbände sehen die Kosten für den mehrmaligen Umzug – von TXL nach SXF zurück nach TXL und dann zum geplanten Start Ende Oktober zum BER – kritisch. Um den Aufwand zu minimieren, gibt es ein neues Szenario: Tegel schließen und den BER bereits vor dem Starttermin am 31. Oktober in Betrieb nehmen – zumal wenig geflogen wird.
Damit wäre nur ein Umzug nötig. Am Mittwoch soll Lütke Daldrup Gesellschaftern und Aufsichtsrat erneut seine Pläne zur Lage – nur fünf Prozent des üblichen Flugverkehrs, sieben Millionen Euro Verluste pro Monat – vorlegen.
Ein früherer BER-Eröffnungstermin ist möglich, für die Airlines aber sinnlos
Seit 20. April liegt der Baubehörde im Landkreis Dahme-Spreewald die Bescheinigung des TÜV-Prüfsachverständigen „über die ordnungsgemäße Beschaffenheit und die Betriebssicherheit“ des BER vor. Die Unterlagen werden nun geprüft für eine Nutzungsfreigabe. „Theoretisch ist ein früherer Eröffnungstermin des Flughafens möglich“, erklärte das Landratsamt. Dazu seien aber luftrechtliche Genehmigungen der Gemeinsamen Oberen Luftfahrbehörde Berlin-Brandenburg nötig.
Die Airline-Verbände warnen, Lütke Daldrups Pläne führten zur „Schließung des falschen Flughafens“. Über Tegel würden aktuell zwei Drittel des Berliner Luftverkehrs abgewickelt. „Insoweit wäre – wenn man die Schließung einer der beiden Berliner Flughäfen verfolgt – eine vorübergehende Schließung des Flughafens Schönefeld geboten“, um die Erreichbarkeit der Bundeshauptstadt „bestmöglich aufrechtzuerhalten“. Ein Umzug nach Schönefeld-Alt brächte „eine Vielzahl organisatorischer, rechtlicher und beschäftigungspolitischer Probleme mit sich“.
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Die mit den Luftsicherheitskontrollen betraute Firma Securitas sei gezwungen, ihr Personal an beiden Airports in Kurzarbeit zu schicken. Um Kündigungen zu verhindern, unterstütze der Bund Securitas dabei, die Stammbelegschaft mit „Kontrollstundenbestellungen“ zu erhalten. Mit dem vorzeitigen Tegel-Aus müsste Securitas dem Personal dort kündigen.
Ein Umzug wäre nicht störungsfrei
„Ein solcher Schritt wäre nicht nur unter beschäftigungspolitischen Aspekten dringend zu vermeiden, sondern auch mit Blick auf die beabsichtigte Eröffnung des BER“, heißt es im Schreiben. Dabei sei das Personal für die Eröffnung des BER unverzichtbar. Auch bei den Bodenabfertigern drohe Personalabbau. Schon wegen der Kurzarbeit seien Fluggesellschaften, Bodenabfertiger und Luftsicherheitsdienstleister nicht in der Lage, einen Umzug „störungsfrei zu bewältigen“.
Die Airlines trauen auch dem Optimismus des Flughafenchefs am BER nicht. Die Schließung von Tegel sei in der richterlich bestätigten Planfeststellung an den BER-Start gekoppelt. Und es sei für die „luftseitige Standortsicherung und die Konnektivität der Bundeshauptstadt essentiell“, dass Tegel erst geschlossen wird, wenn der Umzug zum BER „tatsächlich vollzogen und ein sicherer Betriebsablauf garantiert ist“.