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Firmen, die in Berlin öffentliche Aufträge ausführen wollen, müssen Vorgaben erfüllen. Die FDP-Fraktion will diese abschaffen.
© Cindy Riechau/dpa

„Schränkt Mittelstand und Innovationskraft ein“: Berliner FDP will Vergabegesetz abschaffen

Landeseigene Vergabekriterien bei öffentlichen Aufträgen? Die FDP hält sie für hinderlich. Vorgaben sollen fallen, auch solche zur Frauenförderung.

Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus will das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG) abschaffen. Ein entsprechender Antrag auf sofortige Streichung des durch die rot-rot-grüne Koalition aktuell in der Novellierung befindlichen Gesetzes wollen die Liberalen am Donnerstag ins Plenum des Landesparlaments einbringen. Er wird laut Tagesordnung am frühen Abend behandelt, vorgesehen ist seine Überweisung in die Ausschüsse für Wirtschaft, Gleichstellung und Arbeit.

In dem Antrag, federführend erarbeitet vom wirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Swyter, heißt es: „Das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz, das den Mittelstand und die Innovationskraft in Berlin zusätzlich einschränkt, ist nicht notwendig und daher abzuschaffen.“

Im Gesetz geregelt sind Vorgaben, die Unternehmen bei der Ausführung von öffentlichen Aufträgen einzuhalten haben. Fehlen die dafür notwendigen Nachweise, sind Kontrollen und im Falle der Nichteinhaltung auch Sanktionen möglich. Ebenfalls Teil des Gesetzes: Eine „bevorzugte Vergabe“ an Firmen, die ausbilden oder an Ausbildungsverbünden beteiligt sind.

In der Begründung der FDP-Fraktion heißt es weiter: „Die zusätzlich zum BerlAVG existierenden Vergabegesetze auf Bundes- und auf europäischer Ebene sind ausreichend.“ Die aktuelle Situation führe dazu, dass Berliner Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt würden, was zu „Marktverzerrungen“ führe.

Konkret kritisierte Swyter, das Gesetz in seiner aktuellen Form fordere von den Unternehmen, die sich für öffentliche Aufträge bewerben, „zahlreiche Nachweise, die mit dem eigentlichen Auftrag nicht zu tun haben.“ Als Beispiele nannte der FDP-Politiker ökologische Standards, Arbeits- und Sozialstandards oder Frauenförderung. „Diese Anliegen mögen zwar für sich jeweils berechtigt sein, haben aber im Vergaberecht nichts verloren, da sie die Verfahren überkompliziert machen und enorm verzögern“, sagte Swyter.

IHK warnt vor „riesigem Investitionsstau“

Tatsächlich hatten sich bereits im Frühjahr dieses Jahres Unternehmensvertreter wie die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) über die aktuelle Gesetzeslage beklagt. Diese führe zu einem „riesigen Investitionsstau“ und dazu, dass sich viele Unternehmen grundsätzlich nicht mehr auf öffentliche Aufträge bewerben würden.

Im Juni wiederum veröffentlichten 13 Verbände und Kammern aus Berlin und Brandenburg eine gemeinsame „Berliner Erklärung“ zur bevorstehenden Novelle der BerlAVG. Darin forderten sie, Innovationen zu fördern, das Gesetz zu entschlacken und sich in Sachen Mindestlohn mit dem Nachbarbundesland Brandenburg auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen. Dort wiederum liegt der Vergabemindestlohn bei 10,50 Euro die Stunde.

Ziel der im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken vorgesehenen Novelle ist es, Vergabeverfahren zu entbürokratisieren und das Mindestentgelt, das Unternehmen ihren Arbeitsnehmern zahlen müssen, zu erhöhen.

Einen ursprünglichen Vorschlag von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, den Mindestlohn auf 11,30 Euro pro Stunde auszubauen, übertraf Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) Ende 2018 mit dem Vorschlag einer Erhöhung auf 12,63 Euro pro Stunde. Im Sommer präsentierte Pop eine Einigung: Künftig soll der Mindestlohn bei der Ausführung öffentlicher Aufträge in Berlin bei 11,90 Euro liegen.

Über die Abschaffung des BerlAVG hinaus will die FDP-Fraktion die Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) und weitere Ausführungsbestimmungen für das öffentliche Auftragswesen überarbeiten und anpassen. Unternehmen, die noch keine lange Markterfahrung haben, sollen ebenfalls Zuschläge erhalten können, fordert die FDP.

Die VwVBU dient laut Senatsverwaltung für Umwelt „einer praktikablen Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zum umweltverträglichen Beschaffungswesen“ und und trat am 1. Januar 2013 in Kraft.

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