Innenpolitischer Sprecher geschasst: Berliner FDP-Fraktion schließt Abgeordneten Marcel Luthe aus
Die Liberalen haben sich von ihrem innenpolitischen Sprecher getrennt. „Einstimmig“, wie Fraktionschef Czaja betonte. Offenbar ging es auch um die TXL-Kampagne.
Die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat ihren innenpolitischen Sprecher Marcel Luthe aus ihren Reihen ausgeschlossen. Der Beschluss sei auf einer Sondersitzung der Fraktion am Freitag „einstimmig“ gefallen, erklärte Fraktionschef Sebastian Czaja. „Der Beschluss ist uns allen nicht leicht gefallen, er war aber notwendig. Wir haben so entschieden, weil eine weitere Zusammenarbeit wegen des zerrütteten Vertrauensverhältnisses für uns nicht mehr möglich ist.“
Die Zerrüttung sei einem langen Prozess entsprungen, der sich über Jahre hingezogen habe. „Immer wieder haben wir Marcel Luthe Rückendeckung und nicht nur eine zweite, sondern eine Vielzahl an Chancen gegeben“, so Czaja. Nun sei aber Zeitpunkt gekommen zu sagen: „Genug ist genug“.
Die Berliner FDP unterstützt die Entscheidung der Fraktion nicht nur. Sie forderte Luthe auch auf, zudem sein Abgeordnetenmandat aufzugeben. „Als Landespartei stehen wir konsequent hinter diesem Beschluss“, teilte Generalsekretär Lars Lindemann mit.
Er wies darauf hin, dass Luthe bei der Wahl 2016 „allein über die Liste der Freien Demokraten“ ins Abgeordnetenhaus eingezogen sei. „Es ist daher eine Frage der politischen Integrität und die einzig vernünftige Konsequenz, dass Marcel Luthe sein Mandat als Folge dieses Vorgangs niederlegt.“
Luthe hatte bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 in seinem Wahlkreis in Grunewald allerdings das mit Abstand beste Ergebnis aller FDP-Kandidaten bei den Erst- und Zweitstimmen geholt. Maßgeblich dazu beigetragen hatte dazu das von ihm mit initiierte Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tegel.
Czajas Vorschlag war auch eine Machtprobe
Fraktionschef Czaja arbeitet sich an dem Thema immer noch ab, zuletzt mit einer umstrittenen Plakatkampagne. Bei Parteienrechtlern und anderen Fraktionen stieß die Kampagne auf Kritik, da die Plakate wie Wahlwerbung aussehen. Fraktionen dürfen jedoch nur über ihre Arbeit im Abgeordnetenhaus informieren.
Dem Vernehmen nach lastet Fraktionschef Czaja Luthe an, dass über die Zweifel an der TXL-Kampagne in den Medien berichtet wurde. Zugleich war sein Vorschlag, Luthe aus der Fraktion auszuschließen, eine Machtprobe. Jede Gegenstimme - knapp ein Jahr vor der Abgeordnetenhauswahl - hätte die FDP und Czaja beschädigt.
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Die Fraktion gab sich zu den Gründen eher zugeknöpft „In eigener Sache“ war einem Tweet vorangestellt, mit dem sie den Ausschluss ihres Mitglieds kommunizierte. Czaja steht darin in Abgeordnetenhaus, die übrige Fraktion gestaffelt hinter ihm aufgestellt. Inhaltlich ging die Erklärung Czajas nicht über die Pressemitteilung hinaus. Auf Nachfrage einer Nutzerin, was Luthe denn „angestellt“ habe, antwortete die Fraktion nur knapp: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir keine weiteren Details zu den Vorgängen herausgeben werden.“
Luthe will Entscheidung rechtlich prüfen
Luthe selbst äußerte sich zurückhaltend zu der Mitteilung. „Der formelle Antrag und die konkrete Begründung sind mir bisher nicht bekannt. Zu in einem Brief durch Herrn Czaja erhobenen Behauptungen habe ich schriftlich Stellung genommen und meine Sicht der wahren Gründe dargelegt“, sagte er dem Tagesspiegel.
Zugleich kündigte Luthe eine rechtliche Prüfung an: „Die FDP-Fraktion hat eine Entscheidung getroffen. Diese werde ich nach Vorliegen in Ruhe rechtlich prüfen lassen und dann meine Entscheidung treffen.“
Im April scheiterte er mit einem Eilantrag gegen die Corona-Verordnung
Mit Luthe setzt die Fraktion jenen Abgeordneten der Liberalen mit den besten Verbindungen zur Polizei Berlin vor die Tür. Dort ist Luthe gut vernetzt und genießt einen guten Ruf. Der Wirtschaftswissenschaftler pflegt eine pointierte Sprache und machte unter anderem mit zahlreichen parlamentarischen Anfragen an den Senat von sich reden.
(In einer früheren Version dieses Artikels haben wir Herrn Luthe fälschlicherweise als Juristen bezeichnet. Er ist aber Wirtschaftswissenschaftler. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.)
Im April war Luthe vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof mit einem Eilantrag gegen die damalige Corona-Verordnung des Senats gescheitert. Dagegen hatte er im Herbst vergangenen Jahres einen Sieg errungen, als das Gericht Innensenator Andreas Geisel (SPD) dazu verdonnerte, einen Fragenkatalog Luthes zur Schießstandaffäre der Polizei zu beantworten. Über Jahre waren Beamte giftigen Dämpfen in den schlecht belüfteten Schießständen ausgesetzt und später schwer erkrankt. Die FDP-Fraktion ist die kleinste im Parlament und hat nunmehr noch elf Mitglieder. (mit dpa)