„Verschärfungsspiralen nicht mehr nachvollziehbar“: Berliner FDP fordert sofortige Lockerungen der Corona-Maßnahmen
Ab einer Inzidenz unter 100 soll es nach dem Willen der Liberalen schon deutliche Lockerungen geben, ab 50 weitgehender Normalbetrieb einkehren.
Die Berliner FDP hat sich für sofortige Lockerungen des aktuellen Lockdowns ausgesprochen. Das geht aus einem Dringlichkeitsantrag hervor, den die Liberalen bei der Plenarsitzung am Donnerstag einbringen wollen. Das zehnseitige Papier trägt den Titel "Stufenkonzept als Perspektive für die Menschen in Berlin". Es liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor.
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sagte: „Niemand kann seriös das Ende der Corona-Pandemie vorhersagen, geschweige denn welche Herausforderungen mit den neuen Virus-Mutationen noch auf uns zu kommen.“ Man wisse heute allerdings mehr als vor einem Jahr.
Czaja sagte weiter: „Es ist längst nicht mehr nachvollziehbar, wenn sich die Regierungen von Lockdown zu Lockdown hangeln, sich in Verschärfungsspiralen der Maßnahmen verrennen und wie zuletzt auch noch einen Unterbietungswettbewerb der zu erreichenden Inzidenzzahlen beginnen.“
Laut dem FDP-Plan sollen schon ab einer Inzidenz unter 100 die Klassen eins bis sieben im Wechselunterricht unterrichtet werden, auch der Einzelhandel soll unter Auflagen wieder öffnen dürfen, genauso wie die Restaurants – allerdings nur zu 50 Prozent besetzt und mit Hygienekonzept. Touristische Übernachtungen sollen wieder möglich sein. Auch die Grundschüler sollen wieder in die Klassen zurückkehren - im Wechselunterricht.
Auch Kinos, Theater und Konzerthäuser sollen für bestimmte Schulkohorten und mit maximal halber Belegung wieder öffnen, ebenso Museen und Galerien. Die Kontaktbeschränkungen blieben weitgehend erhalten.
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Weil in Berlin die Inzidenz am Mittwoch bei 64,4 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen lag, wären nach dem Willen der FDP noch weitgehendere Öffnungen machbar. Ab einer Inzidenz von 70 sollen sich in der Öffentlichkeit wieder drei Haushalte mit maximal 20 Personen treffen dürfen. Auch Veranstaltungen und Messen dürften mit Hygienekonzept wieder stattfinden.
Kitas kehren in den Regelbetrieb zurück, auch für die Jahrgänge sieben bis 13 in den Schulen wird "mindestens Wechselunterricht" eingeführt. Theater, Kinos und Konzerthäuser dürften für den normalen Publikumsverkehr öffnen. Die Gästebegrenzung in Restaurants soll dann aufgehoben werden.
Als unterste Inzidenz-Schwelle dient den Liberalen die Zahl von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner je Woche. Alle Jahrgänge sollen dann wieder in die Klassen zurückkehren. Jetzt würden auch Hotels, Fitnessstudios und Freizeiteinrichtungen wieder regulär und ohne Besucherbegrenzungen öffnen. Nach drei Wochen mit einer Inzidenz unter 50 sollen auch Bars „mit festen Sitzplätzen“ wieder öffnen.
Ab einer Inzidenz von 50 dürften auch Clubs begrenzt öffnen
Bei Treffen in privaten Räumen dürften sich wieder zehn Personen treffen, im Freien sogar 50 Personen - die Haushaltsbeschränkung fiele komplett weg. Bei Restaurants würde die Sperrstunde wegfallen und in Clubs dürfte wieder begrenzter Barbetrieb angeboten werden.
Damit entscheidet sich der Öffnungsplan der FDP deutlich von der Position etwa der Berliner CDU. Die Partei hatte am vergangenen Wochenende eine „Low Covid“-Strategie vorgestellt. So wolle man auf die Gefahren durch die Virusmutation reagieren, hatte Fraktionschef Burkard Dregger erklärt. Demnach sollte erst ab einer Inzidenz von 20 überhaupt gelockert werden, Maßnahmen sollten sogar kurzzeitig verschärft werden, um die Inzidenz schnell auf unter zehn zu bringen.
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Auch der rot-rot-grüne Senat hatte in der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch ein Diskussionspapier vorgestellt. In drei Stufen, gestaffelt nach Sieben-Tage-Inzidenzen unter 35, unter 20 und unter 10, enthält das Dokument, das dem Tagesspiegel vorliegt, Vorschläge für Lockerungen – wobei über die Inzidenz hinaus auch „dynamische Faktoren“ wie Reproduktionszahl, Intensivbettenkapazität und „perspektivisch“ auch die Impfquote berücksichtigt werden sollen.
Sebastian Czaja sagte dem Tagesspiegel am Mittwoch: „Was wir jetzt brauchen, sind Verlässlichkeit und eine Perspektive. Unser Stufenkonzept ist ein roter Faden, der diese Verlässlichkeit gibt, der Orientierung für Öffnungsperspektiven gibt, aber auch für eine maßvolle Verschärfung, sollte sich die Situation wieder verschärfen.“ Natürlich könne niemand wissen, wie sich die Krise weiterentwickele. „Wie wir mit ihr umgehen, allerdings schon.“
Am Donnerstag Thema im Abgeordnetenhaus
Die FDP hat ihren Plan deshalb als dringlichen Antrag in die Abgeordnetenhausdebatte am Donnerstag eingebracht. Dort soll über mögliche Öffnungen debattiert werden. Den Plan dafür habe man auf „Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und der praktischen Erfahrungen in den vergangenen Monaten“ erstellt, schreibt die Fraktion dazu.
Der Berliner Senat wird in einer Sondersitzung am Donnerstagnachmittag darüber diskutieren, ob und ab wann Lockerungen möglich sein könnten. Die Grundschulen und Kitas sollen voraussichtlich schon ab dem 22. Februar stufenweise öffnen, das kündigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Mittwoch nach der Ministerpräsidentenkonferenz an.
Weil das Berliner Parlament seit kurzem Maßnahmen zustimmen muss, die Grundrechte beschneiden, wird es am Sonntag eine Sonder-Plenarsitzung geben. Es wird eine Regierungserklärung Müllers erwartet.
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