Support für Windows XP endet: Berliner Datenschutzbeauftragter: Behördencomputer sofort abschalten
Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix fürchtet, dass Hacker ab heute leichter an die Daten der Bürger kommen könnten. Denn der Support für Windows XP endet. In vielen Ämtern arbeiten aber noch Computer mit dem veralteten Betriebssystem.
Seit mehr als zehn Jahren war er absehbar, heute ist er gekommen: Der Tag X, genauer gesagt: der Tag XP. An ihm läuft der Support aus, den Hersteller Microsoft für das Betriebssystem Windows XP gewährt. Genau genommen endet sogar schon die einjährige Karenzzeit, die sich das IT-Dienstleistungszentrum des Landes (ITDZ) für 300.000 Euro bei Microsoft gekauft hat. Damit sollte Zeit gewonnen werden, um alle Arbeitsplätze bei Land und Bezirken auf zeitgemäße Computer umzustellen. Doch offensichtlich hat der Puffer nicht gereicht.
Das ITDZ will nun ein Virenschutzprogramm bis Ende 2015 zur Verfügung stellen, damit Datendiebe sich keinen ungehinderten Zugriff auf die Behördencomputer verschaffen können. Details waren am Montag trotz mehrfacher Anfragen nicht zu erfahren. Auch weiß offensichtlich niemand, wie viele Computer überhaupt betroffen sind. Auf eine Anfrage der Piratenfraktion hin hatte die Innenverwaltung Mitte März mitgeteilt, dass bei Senatsverwaltungen und Bezirksämtern insgesamt noch knapp 30.000 von 70.000 Computerarbeitsplätzen auf XP basierten. Allerdings stammt die zugehörige Erhebung von Ende Oktober 2014. Die nächste soll erst Ende dieses Monats vorliegen.
In der Justizverwaltung laufen noch knapp 700 Rechner mit Windows XP
In der Zwischenzeit hat sich durchaus einiges getan, wie das Beispiel der Finanzverwaltung zeigt: Sie steht mit gut 9.000 betroffenen Computern noch auf dem ersten Platz der offiziellen Oldie-Liste. Allerdings sagte ein Sprecher am Montag: „Wir haben hier nur noch etwa 70 Rechner mit Windows XP stehen, die aber nicht mit dem Internet verbunden sind.“ Alle anderen seien im Januar umgestellt worden.
Beim Finanzamt müssen sich die Berliner demnach wohl keine großen Sorgen machen, dass Hacker ihre Daten klauen. Bei anderen Behörden scheint das weniger klar: Bei der Justizverwaltung laufen nach Auskunft von Sprecherin Claudia Engfeld 683 Rechner weiter mit XP. Im Oktober waren es noch 2146. „Die Kollegen arbeiten mit Hochdruck daran, auch diese restlichen Rechner umzustellen. Es ist aber mitnichten so, dass diese Rechner ungeschützt sind“, betont Engfeld. Man habe „zusätzliche Sicherungen eingebaut“, um Rechner, Leitungen und Daten zu schützen. „Deshalb gehen unsere IT-Fachleute davon aus, dass es keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen gibt.“
Sensible Daten werden separat übertragen
Manche Behörden haben den Umstieg rechtzeitig geschafft: „Wir haben bereits zum Ende des vergangenen Jahres auf Windows 7 umgestellt“, heißt es im Rathaus Reinickendorf. Dasselbe ist aus Lichtenberg zu hören. Im Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf heißt es dagegen, der Umstieg auf zeitgemäße Betriebssysteme wäre zweifellos notwendig, aber sei praktisch nicht machbar, weil landesweit einheitliche Programme nur mit Windows XP funktionierten. Allerdings würden sensible Daten separat übertragen. In Friedrichshain-Kreuzberg gebe es noch einige Rechner, die mit XP laufen, berichtet ein Bezirksamtssprecher. „Die Rechner, auf denen mit sensiblen Daten gearbeitet wird, sind aber alle umgestellt worden“, sagt er.
Kritik aus der Piratenfraktion und vom Datenschutzbeauftragten
Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix sieht nur einen – allerdings radikalen – Weg zur Datensicherheit: Die einzig angemessene Lösung wäre seiner Meinung nach, die XP-Computer allesamt abzuschalten – und zwar sofort. „Die Gefahr, dass hochsensible Bürgerdaten wie Sozial- oder Steuerdaten sehr leicht einsehbar werden, ist akut“, sagte Dix dem Tagesspiegel. Behörden stünden ohnehin stets im Fokus von Hackern, und das Auslaufen des Supports sei seit mehr als einem Jahr bekannt. Die Bürgerdaten seien einem hohen Risiko ausgesetzt, wenn die PCs weiterliefen. Auch der IT-Fachverband Bitkom rät, die PCs „so schnell wie möglich umzustellen“.
Simon Weiß, Sprecher für Digitale Verwaltung der Piratenfraktion, bezeichnet den Umgang des Landes Berlin mit dem Thema als „Scheitern mit Anlauf“. Eine weitere Verlängerung der Übergangszeit koste nicht nur Geld, sondern stelle auch ein Sicherheitsrisiko dar. „Dass selbst eine planbare Herausforderung wie diese nicht erfolgreich angegangen werden kann, ist ein Armutszeugnis für die Steuerung der Berliner Verwaltungs-IT.“ Der Senat müsse endlich das lange angekündigte E-Government-Gesetz vorlegen.
Fast 100 Prozent der Geldautomaten laufen mit XP
Obwohl es mit dem IT-Dienstleistungszentrum eine zentrale Anlaufstelle gibt, liegt die Verantwortung für die Computer überwiegend weiter bei den einzelnen Behörden. Manche, etwa Polizei und Arbeitsagenturen, haben das Problem längst gelöst.
Neben den Computern der Berliner Behörden läuft auch das Gros der Geldautomaten noch über Windows XP. Laut Sparkassen- und Giroverband stellt das jedoch kein Sicherheitsrisiko dar, denn Windows XP sei lediglich für die grafische Oberfläche zuständig. Das Bankengeschäft laufe über ein anderes Betriebssystem. „Die beiden Systeme sind strikt voneinander getrennt“, heißt es.
Windows XP kam 2001 auf den Markt und wird seit 2008 nicht mehr verkauft.
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