zum Hauptinhalt
Ärzte werden von den Klinikbetreibern mit dem Geld der Krankenkassen bezahlt.
© Daniel Bockwoldt/dpa

„Personal muss entlastet werden“: Berliner Ärzte und Helios-Kliniken streiten um Arbeitsplätze

Gefährdet überzogenes „Gewinnstreben“ die Patienten? Mediziner werfen Helios vor, nach den Pandemie-Millionen an Ärzten in den Krankenhäusern zu sparen.

Der bundesweite Streit um die Personalpolitik der Helios-Kliniken hat Berlin erreicht – auch in den Krankenhäusern des Konzerns in Zehlendorf und Buch debattieren Beschäftigte und Berufsverbände um unbesetzte Arztstellen und mehr Stress auf den Stationen. Der Marburger Bund hat sich in einem Brandbrief an die Geschäftsführer der Helios-Kliniken „Emil von Behring“ und Berlin-Buch gewandt.

Man befürchte, schreibt die Ärztegewerkschaft, dass „die staatlich gut ausfinanzierte Corona-Situation“ in den Krankenhäusern zum Stellenabbau genutzt werde. Anlass der Kritik sind die vor einigen Wochen veröffentlichen Personalpläne der Unternehmensspitze: Nach den Strapazen der Pandemie, in deren Verlauf die Kliniken öffentliche Millionenhilfen erhielten, und einem erfolgreichen Geschäftsjahr sollen Arztstellen wegfallen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Insgesamt, teilte die Helios-Spitze mit, rechne man damit, „in unseren 89 Kliniken im Durchschnitt drei Stellen pro Standort“ nicht nachzubesetzen. Man werde sich dabei an den (tendenziell sinkenden) Zahlen stationärer Patienten orientieren: „In manchen Standorten werden es also acht oder neun, in anderen eher zwei oder drei, in wieder anderen gar keine oder sogar die eine oder andere Stelle mehr sein.“

[Schon 250.000 Abos: Suchen Sie sich Ihren Tagesspiegel-Newsletter für Ihren Bezirk aus! Jetzt hier kostenlos: leute.tagesspiegel.de]

Für die beiden Berliner Helios-Kliniken gibt das Unternehmen 812 Ärzte im April 2019 an, im gleichen Monat dieses Jahres waren es demnach noch 801. „Das bis an seine Grenzen arbeitende ärztliche Personal muss entlastet werden“, schrieb Peter Bobbert, der Landeschef des Marburger Bundes und zugleich Präsident der Berliner Ärztekammer nun an die Helios-Geschäftsführer. „Eine weitere Verdichtung der ärztlichen Arbeit darf es nicht geben.“

600 Millionen Euro Gewinn im Jahr 2020

Intern sprechen einige nun sogar von etwaiger „Patientengefährdung“, Ärzte beraten über Proteste gegen die Pläne.

Helios kontert: Von einer Gefährdung der Versorgung könne keine Rede sein, im Arzt-zu-Patient-Verhältnis liege man im Durchschnitt. In der Coronakrise seien die allgemeinen Patientenzahlen gesunken, was sich allerdings nicht nur mit den Folgen der Pandemie erklären lasse, sondern auch dadurch, dass Behandlungen immer öfter ambulant erbracht werden können. Dieser Trend werde sich fortsetzen.

Die Helios-Kette, die 2020 einen Gewinn von rund 600 Millionen Euro verbuchte, ist ein Tochterunternehmen des Fresenius-Konzerns und Europas führender privater sowie Deutschlands größter Klinikbetreiber. Von den 21.000 Klinikbetten in Berlin – wo mit Vivantes und der Charité zwei ungewöhnlich große Landeskonzerne die stationäre Versorgung dominieren – befinden sich rund 1600 in den Helios-Häusern.

Sind Personal-Untergrenzen für Ärzte nötig?

In der Debatte um Helios hatte sich auch Dennis Radtke, CDU-Abgeordneter im EU-Parlament und Bundesvizechef des christdemokratischen Arbeitnehmerflügels CDA, geäußert. Er sprach von einem „Skandal“ und davon, dass die „staatliche Unterstützung zur Freihaltung“ von Covid-19-Kapazitäten dazu genutzt worden sein könnte, „die eigene Ertragssituation zu verbessern“.

Der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands schrieb: „Der übermäßige Abbau ärztlicher Stellen bei Helios ist unverantwortlich.“ Und: „Diesem mittlerweile maßlosen Gewinnstreben um jeden Preis ist nur durch die Festlegung von gesetzlichen Untergrenzen – auch – für das ärztliche Personal beizukommen.“

Ihr Personal bezahlen Kliniken weitgehend aus den Mitteln der Krankenkassen: Die Versicherungen zahlen pro Diagnose eine sogenannte Fallpauschale. Weil diese Pauschalen – Fachterminus: DRG – meist äußerst knapp sind, sparten viele Kliniken zunächst an Pflegekräften.

Die Bundesregierung führte deshalb 2019 für bestimmte Stationen verbindliche Untergrenzen in der Pflege ein; 2020 nahm sie die Pflege aus diesem DRG-System heraus. Die Mediziner werden nach wie vor über diese Fallpauschalen vergütet, für sie gelten zudem keine gesetzlichen Personalschlüssel.

Zur Startseite