Russlandpolitik: Berliner AfD-Abgeordneter erhält Einreiseverbot für Ukraine
AfD-Politiker Gunnar Lindemann reiste häufig in umkämpfte ukrainische Gebiete. Wegen seiner pro-russischen Haltung darf er nun drei Jahre nicht mehr ins Land.
Keine andere Partei nutzt die sozialen Netzwerke so intensiv wie die AfD, da macht Gunnar Lindemann keine Ausnahme. Wer wissen will, womit sich der aus Wuppertal stammende und in Marzahn-Hellersdorf ins Abgeordnetenhaus gewählte Politiker aktuell befasst, folgt ihm auf Facebook und Twitter.
Aber Achtung: Viele der dort geposteten Inhalte kann nur lesen, wer Russisch spricht. Lindemann zählt zwar nicht dazu, beim Thema Ukraine ist er für russische Medien dennoch einer der bevorzugten Gesprächspartner. Dass Lindemann selbst die von ihm geteilten Einträge nicht lesen kann – geschenkt.
Behindert wird sein ausgeprägtes politisches Interesse für den osteuropäischen Raum nun von ganz anderer Stelle: Per Beschluss vom vergangenen Dienstag teilte der „Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine“ mit, dass Lindemann für die Dauer von drei Jahren die Ukraine nicht betreten darf – genau wie der Linken-Politiker Andreas Maurer.
Lindemann nennt Präsident Poroschenko einen "Kriegsverbrecher"
Als Begründung wird angeführt, Lindemann habe als sogenannter Wahlbeobachter die international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk besucht. Beide Regionen sind seit Ausbruch der Auseinandersetzungen um die von Russland annektierten Halbinsel Krim zwischen von Russland unterstützten Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen umkämpft. Auf der Homepage des Auswärtigen Amtes heißt es deshalb: „Vor Reisen in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete der Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk wird gewarnt.“
Lindemann, der nach eigener Auskunft lange vor Beginn seiner Politikerkarriere enge Bande in die Donbass-Region geknüpft hatte, lässt sich davon – genau wie von der offiziellen Reisewarnung für die Krim-Halbinsel – nicht abschrecken. Überhaupt vertritt er in dem seit 2014 schwelenden Konflikt mit maximaler geopolitischer Aufladung einen klaren Standpunkt: „Die Bevölkerung auf der Krim hat sich für Russland entschieden, damit ist sie russisch.“
Petro Poroschenko, den im selben Jahr zum Präsidenten der Ukraine gewählten Milliardär und Oligarchen, nennt er einen „Kriegsverbrecher“. Aus seiner Nähe zu Russland und dem Agieren Vladimir Putins macht Lindemann kein Geheimnis und wohl auch deshalb verfügt er zu einem für einen Landtagsabgeordneten eher ungewöhnlich kurzen Draht zu russischen Medien wie „Sputnik“ oder „Russia Today“.
Kritik aus den Reihen der AfD
„Die berichten wenigsten das, was ich gesagt habe“, sagt Lindemann. Im Gegensatz zu den Medien in Deutschland, die – genau wie die Bundesregierung – am „Rockzipfel der USA“ hingen, sagt er. Dass das Interesse russischer Medien an seiner Person auch mit dem Inhalt seiner Aussagen zu tun haben könnten, kommentiert Lindemann nicht – er lächelt lieber.
Innerhalb seiner eigenen Fraktion, aus deren Reihen in der Vergangenheit immer wieder mal Abgeordnete auf die Krim gereist waren, verursachen die Aussagen und das außenpolitische Engagement Lindemanns Kritik. Zwar wollte sich – mit Rücksicht auf die mühsam austarierte Balance in Fraktion und Partei – niemand aus der Führungsriege mit Namen zum Vorgehen Lindemanns äußern.
Hinter vorgehaltener Hand jedoch wird Klartext geredet. „Es fällt auf, dass er sich sehr einseitig positioniert. Diese Positionierung ist Unsinn und nicht Teil unserer Linie“, sagt einer aus der Fraktionsspitze. Intern sei an Lindemanns Vorgehen immer wieder Kritik geäußert worden, heißt es. Weil dieser der Rechtsaußen-Vereinigung „Der Flügel“ nahesteht und ein offener Konflikt der Lager innerhalb des Landesverbands nicht riskiert werden soll, blieb es bislang dabei. Auch Georg Pazderski, Chef von Fraktion und Landesverband und Kritiker des Flügels, wollte das Einreiseverbot gegen einen seiner Abgeordneten nicht kommentieren.
Lindemanns nächste Reisen seien bereits gebucht
Lindemann selbst ging in die Offensive. „Für mich ist dieses Vorgehen beispielhaft für das Selbstverständnis der ukrainischen Regierung. Deutsches und europäisches Steuergeld wird in der Ukraine immer gerne genommen, aber kritischen Mandatsträgern wie mir verweigert man kurzerhand die Einreise“, erklärte Lindemann. Er hege den Verdacht, dass die Einreisesperre mit der anstehenden Präsidentschaftswahl in der Ukraine zu tun habe. „Ich will und kann die Einstellung der USA-hörigen Regierungen im Westen nicht teilen“, sagt er.
Der 48-Jährige gibt an, sich in seinem Engagement für die Menschen vor Ort nicht bremsen lassen zu wollen. Die nächsten Reisen in die Region seien bereits gebucht, Schulbücher für eine deutschsprachige Schule in Luhansk bestellt, schließlich verbindet Lindemann seine Reisen in die Region stets mit sozialen Wohltaten. Facebook-Fotos zeigen den Politiker umringt von Kindern in Klassenräumen oder Waisenhäusern – zuletzt brachte er Kiloweise Schokolade mit in die oft ärmlichen Gebiete.
Jedem Abgeordneten steht eine Kostenpauschale von monatlich 1000 Euro zu
Wie Lindemann die Reisen finanziert, bleibt dagegen sein Geheimnis. In einem am vergangenen Mittwoch geführten Gespräch sagte er grinsend, „offiziell“ habe es sich bei seiner letzten, Ende Februar unternommenen Reise in den Donbass, um Urlaub gehandelt.
Da er während der Reise offizielle Termine vereinbart und an diesen – via Facebook – auch die vielen russischsprachigen Wähler seines Wahlkreises hatte teilhaben lassen, bleiben Zweifel. Mit Blick auf die jedem Abgeordneten mit eigenem Wahlkreisbüro zustehende Kostenpauschale von monatlich 1000 Euro sagte Lindemann: „Dafür haben wir die doch. Sonst wird ja immer behauptet, wir würden uns die in die eigene Tasche stecken.“