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Integration von Flüchtlingen: Berlin wird arabischer

Die vielen Flüchtlinge aus aller Welt verändern auch die Zusammensetzung der Einwanderergemeinschaften in Berlin. Das hat sehr unterschiedliche Folgen.

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Vor allem in der Sonnenallee, am Kottbusser Tor, aber auch am Alexanderplatz, am Zoo oder in der Spandauer Altstadt fällt es auf: Waren vor zwei, drei Jahren neben Deutsch vor allem Türkisch, Polnisch, Englisch, zuletzt auch Spanisch auf Straßen und Plätzen, in Bussen und Bahnen zu hören, sind es nun öfter arabische und persische Dialekte. Die meisten Männer, Frauen und Kinder, die seit der Flüchtlingskrise in Berlin leben, kommen aus Syrien, Irak, Afghanistan – und unterscheiden sich so von den Einwanderern vergangener Jahrzehnte.

Insbesondere Neukölln, schon bislang das Zentrum der arabischen Berliner, ist noch viel arabischer geworden. Im Bezirksamt schätzen einige, dass an der nördlichen Sonnenallee 95 Prozent der Läden arabische Betreiber haben. Das hat damit zu tun, dass sich zu den alteingesessenen Libanesen nun Syrer und Iraker gesellten. Falafel, Sesam-Joghurt-Sauce, Baklava, dazu Friseure, Shisha-Bars, Teestuben.

Iraner gelten als besonders gut integriert

Viele Flüchtlinge finden Helfer in den Communities, werden so in Berlin eingeführt. Allerdings, darauf weisen Sozialarbeiter, Anwohner und Beamte eben auch hin, haben sich in Neukölln, Wedding und Schöneberg längst einige Flüchtlinge den in Berlin einschlägig bekannten Clans angeschlossen, wenn auch vergleichsweise wenige. Damit sind jene arabischen Familien gemeint, die in den 80ern und 90ern aus dem Libanon kamen und deren Söhne heute als Intensivtäter bekannt sind. So fiel Beamten am Neuköllner Treffpunkt eines Clans schon 2013 ein Syrer auf. Diesen Cousin hatte der Berliner Zweig jener Großfamilie in Deutschland sofort in die Hehlerei eingeführt.

Neue Heimat Berlin. Syrische und irakische Teilnehmer einer Tour durch das Deutsche Historische Museum.
Neue Heimat Berlin. Syrische und irakische Teilnehmer einer Tour durch das Deutsche Historische Museum.
© Mike Wolff

Mit Blick auf eine doch hoffentlich angestrebte Integration hängt viel davon ab, ob die Masse der Neuankömmlinge ohne solche Kontakte bald Arbeit, eigene Wohnungen und Anschluss findet. Ähnliches gilt übrigens mit Blick auf islamistische Vereine, deren Vertreter immer wieder Flüchtlingsheime besuchten und Anhänger rekrutierten. Ja, die Moscheen hätten sich verändert, sagen Beobachter, die Gebetshäuser seien viel „arabischer“ geworden, die Sprache mitunter kompromissloser. Valide Daten dazu gibt es nicht. Die Imame etablierter Moscheen äußern sich nicht dazu, ob und wie die Flüchtlinge ihre Gemeinden veränderten.

Milieu, Islam, Neukölln – auf viele andere Einwanderer passten diese Schlagworte ohnehin nie. Massenhaft leben in Berlin auch diejenigen, die sich als „Postmigranten“ kaum von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden: Die zweite, dritte Einwanderergeneration, deren Bildung, Einkommen, Werte denen der Alt-Alteingesessenen gleichen. Diese Forscher, Politiker, Autoren tragen allenfalls noch ungewöhnliche Namen.

Als besonders integriert gelten viele Iraner – die meisten flohen als oppositionelle Akademiker in den 80ern vor den Mullahs. Auch heute noch kommen aus dem Iran oft bildungsorientierte Familien in Berlin an, zunehmend aber auch Afghanen, die im Iran selbst nur in Flüchtlingslagern lebten. In beiden Ländern werden Varianten des Persischen gesprochen.

Immer mehr Flüchtlinge auch aus der Türkei

„Bei vielen Afghanen sind patriarchale, rückschrittliche Traditionen ausgeprägt“, sagt Hamid Nowzari vom Verein iranischer Flüchtlinge. „Klar, die haben einen anderen gesellschaftlichen Hintergrund.“ Wer in Afghanistan dem Islam abschwört, kann zum Tode verurteilt oder von einem Mob gelyncht werden. Zudem sind zwei Drittel der Afghanen Analphabeten. Nowzari berät viele Afghanen, er ist zuversichtlich. „Die Werte ändern sich bei vielen nach einigen Monaten – aber man muss dran bleiben.“ Die Bedingungen dafür, so seine Einschätzung, sind besser als vor 25 Jahren: „Anders als bei den Flüchtlingen aus dem Libanon ist die deutsche Gesellschaft heute eher auf Integration eingestellt.“

Anders ist die Lage in der kurdischen Community in der Stadt. Inzwischen könnten bis zu 100 000 Kurden in Berlin leben. Einst kamen die meisten als Gastarbeiter aus der Türkei, nun sind es Flüchtlinge mit irakischen und syrischen Pässen. Die kurdische Community ist sich politisch und kulturell mitnichten einig. Trotzdem ist erkennbar, dass progressive, laizistisch orientierte Kurden an Einfluss gewinnen. Der massive Druck aus der Türkei, linke Kurdenverbände auch in Deutschland zu beobachten, ändert wohl wenig daran, dass in Berlin mehr Spenden für die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK gesammelt werden. Zudem fliehen inzwischen Kurden nicht aus Syrien und Irak, sondern auch aus der Türkei selbst nach Berlin – je rücksichtsloser Staatschef Recep Tayyip Erdogan dort sein Regime ausbaut.

Für alle Einwanderergemeinden dürfte gelten, dass sich Neuankommende besser in die neue Heimat integrieren, wenn sie sich nicht abschotten. Statt am Alexanderplatz achtlos aneinander vorbei zu laufen, in Bus und Bahn für ein paar Station stumm nebeneinander zu sitzen, müssen Neue und Alte miteinander sprechen, arbeiten, leben. Vielleicht also sind die Bedingungen für gelungene Integration in Berlin gar nicht so gut.

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