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 Auf dem Gendarmenmarkt trafen sich am Wochenende etwa 500 Menschen trotz Nieselwetters zur Kundgebung von „Pulse of Europe“.
© Kai-Uwe Heinrich

Europawahl: Berlin wächst, die Zahl der Wahlberechtigten schrumpft

Bei der EU-Wahl sinkt die Zahl der Stimmberechtigten in Berlin, denn der Anteil der Deutschen nimmt ab.

Berlin wächst seit Jahren wie verrückt, aber die Zahl der Wahlberechtigten schrumpft. An der Europawahl am 26. Mai dürfen in der Hauptstadt nach aktuellem Stand 2.499.805 Menschen teilnehmen. Das sind 17.941 weniger als bei der EU-Wahl vor fünf Jahren. Im selben Zeitraum ist die Bevölkerung Berlins um 230.000 Menschen gewachsen. Wie passt das zusammen?

Einen vergleichbaren Trend gab es schon bei der Bundestagswahl im September 2017. Auch damals vermeldete die Landeswahlleiterin in Berlin weniger Wahlberechtigte als im Herbst 2013. In der Wahlbehörde ist man auch dieses Mal überrascht. Immerhin gibt es, unter Verweis auf die demografische Entwicklung, eine plausible Vermutung, warum der Anteil der Wahlberechtigten rückläufig ist. „Das liegt wohl daran, dass hauptsächlich Menschen mit ausländischem Pass nach Berlin ziehen, die Zahl der deutschen Einwohner aber stagniert oder sogar rückläufig ist“, sagt Gert Baasen, der die Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin seit vielen Jahren führt.

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg weiß es noch genauer. Das Einwohnermelderegister zählte Ende 2018 genau 2.999.676 Berliner mit deutscher Staatsangehörigkeit. Das waren nur 11.981 (0,4 Prozent) mehr als vor fünf Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr war die Zahl der deutschen Berliner sogar leicht rückläufig. Dagegen stieg die Zahl der in Berlin gemeldeten Ausländer in den vergangenen fünf Jahren um 209.748 (28 Prozent) auf 748.472 Menschen. Wahlberechtigt sind bei Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen aber nur deutsche Staatsbürger ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, die seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz in Deutschland beziehungsweise in Berlin haben.

Allerdings gibt es bei den Europawahlen eine Besonderheit: Unionsbürger, die in Deutschland wohnen, können entweder im Herkunftsland oder in Deutschland ihr Kreuzchen machen. In Berlin sind über 255.000 EU-Ausländer wahlberechtigt. Ihre Zahl ist seit der Europawahl 2014 um etwa 50.000 gewachsen. Die zahlenmäßig stärksten Nationalitäten sind Polen (rund 46.000), Italiener (21.000), Franzosen (16.000), Bulgaren (15.000) und Spanier (12.000).

Die meisten Unionsbürger wählen in ihrem Heimatland

Erfahrungsgemäß nimmt aber nur ein Bruchteil der Unionsbürger an den EU-Wahlen in Berlin teil. Die meisten wählen lieber im Heimatland oder verzichten auf eine Stimmabgabe. Das bestätigt sich auch bei der bevorstehenden EU-Wahl. Bis Januar haben erst rund 11.000 der Berliner EU-Bürger ihre Eintragung ins hiesige Wählerverzeichnis beantragt. Voraussichtlich kommen bis zum Ablauf der Frist am 4. Mai, so die Schätzung des Geschäftsstellenleiters Baasen, noch etwa 4.000 hinzu.

Kleinere Bewegungen wird es im Wählerverzeichnis des Landes Berlin also noch geben. Zumal sich wahrscheinlich auch noch einige Berliner, die dauerhaft im Ausland leben und keinen deutschen Wohnsitz haben, ins Wählerverzeichnis eintragen lassen. An der sinkenden Zahl der Wahlberechtigten, so Baasen, werde dies aber wohl nichts mehr ändern.

Die Diskussion um ein Ausländerwahlrecht könnte wieder aufflammen

Bei den ersten fünf Europawahlen nach dem Mauerfall war der Anteil der Berliner, die daran teilnehmen durften, mit 72 bis 73 Prozent nahezu konstant. Bei dieser EU-Wahl rutscht die Quote der Wahlberechtigten wegen der starken Zunahme des Ausländeranteils (besonders außerhalb der Europäischen Union) auf 67 Prozent ab.

Wenn sich dieser Trend auch bei Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen in Berlin fortsetzt, könnte dies die Diskussion über die Einführung eines Ausländerwahlrechts, die immer mal wieder aufflammt, wieder befeuern. Bisher schließt das Grundgesetz ein solches Wahlrecht aus. Immerhin dürfen seit 1992 EU-Bürger an Kommunalwahlen in Deutschland teilnehmen. Ansonsten gibt es nur die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen.

Ulrich Zawatka-Gerlach

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