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Die schriftlichen Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss sollten am 25. Mai beginnen.
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Update

Keine Klausuren wegen Personalnot: Berlin streicht Abschlussprüfungen für Zehntklässler

Nach harscher Kritik von Schülern, Eltern und Schulleitern: Für den Mittleren Schulabschluss reicht dieses Jahr die Präsentationsprüfung.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat entschieden, dass die drei schriftlichen Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) mitsamt der mündlichen Prüfung in diesem Jahr „aufgrund der besonders angespannten Situation an den Schulen ausgesetzt werden sollen“. Dies teilte die Bildungsverwaltung am Mittwoch mit, nachdem Scheeres die Vorsitzenden aller großen Schulleiterverbände unterrichtet hatte. Lediglich die Präsentationsprüfung soll demnach stattfinden.

Die Abschlussnoten werden aus den Zeugnisnoten der zehnten Klasse und der Präsentationsprüfung gebildet. Auf dieser Grundlage können die Schüler ein MSA-Prüfungszeugnis erhalten. Auch die 1300 Schüler in der Integrierten Berufsausbildungsvorbereitung (IBA) erhalten ein eigenes Zertifikat. Dieser Weg sei in der Runde der Schulleiter auf allgemeine Zustimmung gestoßen.

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„Wir haben noch einmal alle Argumente abgewogen: Ohne die schriftlichen MSA-Prüfungen können wir in den kommenden Wochen mehr Unterricht anbieten, gerade auch für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler“, legte Scheeres dar. die Korrekturarbeiten für rund 90.000 Klausuren entfielen, könnten sich die Lehrkräfte anderen wichtigen Aufgaben zuwenden und Schüler besser fördern: Ab Montag kommen sie zurück in die Schule.

Die Grünen signalisierten am Abend Unterstützung für den Weg, den Scheeres gewählt hat. Es sei auch gut, dass die Präsentationsprüfung stattfänden, weil viele Schüler sich darauf schon intensiv vorbereitet hätten.

"Ohne die schriftlichen MSA-Prüfungen können wir in den kommenden Wochen mehr Unterricht anbieten", sagte Bildungsministerin Sandra Scheeres am Mittwoch.
"Ohne die schriftlichen MSA-Prüfungen können wir in den kommenden Wochen mehr Unterricht anbieten", sagte Bildungsministerin Sandra Scheeres am Mittwoch.
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Die SPD-Fraktion war schon von sich aus aktiv geworden und hatte der Senatorin dem Vernehmen nach am Montag signalisiert, dass es so nicht weitergehe. In der Überzeugung, dass ein Festhalten am MSA nicht mehr vermittelbar wäre, hatte die Fraktion einen Antrag vorbereitet, wonach die rund 15.000 Zehntklässler an Gymnasien vollständig von allen Prüfungen befreit werden sollten.

An den Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen sollten nur die Zehntklässler an den Prüfungen teilnehmen, die in die gymnasiale Oberstufe wechseln wollen, hieß es in dem Antrag, der dem Tagesspiegel vorlag. Alle anderen Schüler würden den MSA auf Grundlage ihrer Zeugnisnoten erhalten. Dieser Antrag wurde mit der Entscheidung der Senatorin dann hinfällig.

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Wie berichtet hatten in den vergangenen Wochen die gewählten Schüler- und Elterngremien, Gewerkschaften sowie Schulleitervereinigungen gefordert, die MSA-Prüfungen völlig ausfallen zu lassen. Noch in der Nacht zu Mittwoch gaben der Landeselternausschuss und alle zwölf Bezirkselternausschüsse eine gemeinsame Mitteilung heraus, in der sie für die Aussetzung der MSA-Prüfungen votierten: Anders als beim Abitur hat das Land beim MSA die Entscheidungshoheit. Umso empörter waren die Kritiker darüber, dass Scheeres so lange an den Prüfungen festhielt.

Abiturprüfungen haben begonnen

Unterdessen haben die Abiturprüfungen bereits begonnen. Die ersten umfangreichen Abiturprüfungen im Fach Biologie an diesem Mittwoch hätten gezeigt, dass diese Prüfungen „sicher und ordnungsgemäß“ durchgeführt werden könnten, teilte die Verwaltung mit. Die Krankmeldungen von Prüflingen hätten sich auf dem Niveau der Vorjahre bewegt. Gleichwohl seien diese zentralen Prüfungen nur unter großem organisatorischen Aufwand erfolgreich durchzuführen.

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Dass die Entscheidung zur MSA-Prüfung so spät kommuniziert wurde, könnte damit zu tun haben, dass Scheeres vor dem Beginn der ersten Abiturprüfungen keine Unruhe auslösen wollte: Wie berichtet, hatte der Landesschülerausschuss vehement gegen alle Schulabschlussprüfungen – auch gegen die Abiturprüfungen – protestiert und bekam dafür viel Unterstützung.

Das sagen die Betroffenen:

  • Norman Heise, Landeselternsprecher (via Twitter):"Wir begrüßen die Entscheidung der Senatsverwaltung für Bildung, die schriftlichen und mündlichen MSA-Prüfungen abzusagen. Dadurch erhalten die Schulen mehr Möglichkeiten, auf die gegenwärtigen Herausforderungen im Sinne ihrer Schüler*innen und des pädagogischen Personals zu reagieren. Die Schulen sollen bitte die neu gewonnene Zeit auch nutzen, die anstehenden Termine der Präsentationsprüfungen neu zu ordnen, um den Schüler*innen mit Gruppen-Prüfungen auch vor Ort Zeit zu geben, um mit Abstand zu üben".
  • Miguel Góngora, Landesschülersprecher:"Wir begrüßen die Absage der schriftlichen MSA-Prüfungen und bedanken uns bei der Senatorin für diese mutige Entscheidung. Das einzig Bedenkliche ist nun die Prüfungspflicht bei er Präsentationsprüfung. Wir fordern daher auch zusätzlich erneut, wenn die Senatorin Einsicht für unsere Argumente zeigt, auf das Prinzip der Freiwilligkeit bei den Abiturprüfungen zurückzugreifen. Abiturienten sind weder immun noch besser geschützt als Prüflinge, welche den MSA ablegen sollten."
  • .Ralf Treptow, Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren: „Der VOB begrüßt, dass im Schuljahr 2019/20 auch für die Berliner Gymnasiasten der MSA auf der Grundlage der Jahrgangsnoten entschieden wird. Das ist eine richtungsweisende, eine kluge und eine notwendige Entscheidung in schwierigen Zeiten.“
  • Miriam Pech und Sven Zimmerschied, Vorsitzende der Berliner ISS-Schulleiterinnen und -Schulleiter:„Die von der Senatorin vorgeschlagenen Änderungen bei der Durchführung der MSA-Prüfung werden von der Vereinigung der Berliner ISS-Schulleiter*innen in vollem Umfang unterstützt. Die Aussetzung der schriftlichen Prüfungen in diesem Schuljahr ist in der jetzigen Situation absolut angemessen und ermöglicht, dass keine Schülerin und kein Schüler durch die Prüfungen benachteiligt wird. Aus Sicht der Gemeinschafts- und Sekundarschulen ist das ein notwendiges Signal, dass auch in ungewöhnlichen Zeiten unsere demokratischen Strukturen uns gemeinsam vernünftige Lösungen finden lassen.“
  • Ronald Rahmig, Vorsitzender der Vereinigung berufsbildender Schulen in Berlin:„Wir begrüßen es, dass unsere Schülerinnen und Schüler auch in diesem schwierigen Jahr ein aussagekräftiges Zertifikat für ihren Schulabschluss erhalten können, das ihnen den Start in die Ausbildung erleichtert.“ 
  • Gunilla Neukirchen, Vorsitzende der Vereinigung Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter in der GEW:„Wir begrüßen die Entscheidung sehr. Sie erlaubt es, die Ressourcen in den wenigen Wochen bis zu den Sommerferien auf den Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren.“

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