Wohnungsbau in Berlin: "Erwartungen sind höher als das, was wir in der Realität einlösen können"
Ein Jahr Wohnungsbaupolitik - was wurde denn nun erreicht? Senatorin Lompscher und Andrej Holm versuchen es mit einer Antwort.
Das Gedränge im Kunst- und Kulturzentrum ACUD in Berlin-Mitte könnte ein Sinnbild für den Wohnungsmarkt sein. Noch ehe die Diskussion beginnt, ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, Menschen stehen zahlreich in den Gängen oder sitzen auf Fensterbänken. 250 Menschen sind gekommen, es ist eng.
„Verdrängung ist ein Problem geworden, dass sich nicht auf einzelne Stadtteile begrenzt, sondern in der ganzen Stadt anzufinden ist“, sagt Andrej Holm kurz darauf einleitend. Der Ex-Staatssekretär spricht von den Hoffnungen, die mit dem Start von Rot-Rot-Grün verbunden wurden. Katrin Lompscher (Die Linke) wird wenig später sagen: „Die Erwartungen sind höher als das, was wir in der Realität einlösen können. Ich verstehe das.“
Bausenatorin Lompscher steht massiv unter Druck
Die Bausenatorin stellte sich am Montagabend in einer Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin der Leitfrage, was in einem Jahr in der Wohnungsfrage erreicht wurde. Mit ihr diskutierten Julian Benz vom Mietshäuser Syndikat, Carola Handwerg vom Arbeitskreis Mietrecht im „Republikanischen Anwältinnen und Anwälte Verein“ sowie Andrej Holm, der die Debatte moderierte.
Zum Thema des Abends sollte Lompscher viel zu sagen haben. Nach einem Jahr Rot-Rot-Grün steht sie massiv unter Druck. Zuletzt wurde die Wohnungsbaupolitik der Senatorin von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus scharf kritisiert. Der beste Mieterschutz sei Wohnungsbau, stand in einer Resolution der Abgeordneten. Eine Aufgabe, die nicht alle Verantwortlichen verinnerlich hätten.
„Es ist überall noch viel zu tun“, sagte Lompscher. Man habe den Stadtentwicklungsplan 2030 auf den Weg, die Wohnungsbaubedarfsprognose öffentlich und in der Bürgerbeteiligung erste Schritte gemacht. Rasch fallen ihre Worte auf den Stand des Wohnungsbaus: „Uns helfen nur die Wohnungen weiter, die dem Bedarf der Wohnungssuchenden entsprechen.“ Darüber müsse in langwierigen, aufwendigen Prozessen verhandelt werden, wodurch auch Verzögerungen entstanden. „Das muss ich natürlich auf meine Kappe nehmen“, sagte Lompscher.
Lompscher: Private sind als Partner unverzichtbar
Die SPD kritisierte die Senatorin auch wegen der Fokussierung auf öffentliche Unternehmen. Dies werde der Tatsache nicht gerecht, dass 90 Prozent des Neubaus in Berlin auf private Unternehmen und Bauträger entfielen.
„Private, die sich an die Regeln einer integrierten Stadtentwicklung halten, sind als Partner nicht nur willkommen, sondern unverzichtbar“, sagte Lompscher. Dass sie durch die „Riesenauseinandersetzung“, in deren Folge Holm nicht mehr Staatssekretär war, spät gestartet sei, will sie nicht verschweigen.
Holm war im Januar 2017 als Staatssekretär der Senatorin zurückgetreten, nachdem wochenlang massive Kritik an seinen falschen Ausführungen zu seiner Tätigkeit als hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter geübt wurde. Er kam damit seiner Entlassung durch Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) zuvor. Seit Februar 2017 berät er nun die Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus zu wohnungspolitischen Fragen. Zudem wurde er als Experte in den Begleitkreis für den „Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030“ berufen.
Andrej Holm: "keine profit-orientierten Bauträger"
„Wenn wir die soziale Mieterstadt in Berlin auf Dauer halten wollen, brauchen wir dauerhaft bezahlbare Wohnungen nicht profit-orientierter Bauträger“, sagte Holm. Jeder Einzelschritt müsse dahingehend bewertet werden. Anderen müsse es richtig schwer gemacht werden, Geld zu verdienen. „Nicht jede Investition ist willkommen.“
Viele Fragen aus dem Publikum beziehen sich auf das bezirkliche Vorkaufsrecht, auf „Share Deals“, auf Fälle, wo es nicht greife, wo Bezirke trotz des Instruments zu zögerlich agieren. „Das Vorkaufsrecht ist eine Krücke. Bei der Preisentwicklung kann man nicht mehr mitgehen“, sagt auch Julian Benz vom Mietshäuser Syndikat. Das Instrument werde in dieser Art keine besondere Bedeutung erhalten, so Benz weiter. Die Bausenatorin gibt zu, dass das Instrument schnell an seine Grenzen stoße. „Das ist bitter“, sagte Lompscher. Doch hätten nach Friedrichshain-Kreuzberg auch Mitte, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg das Instrument angenommen. „Es hat eine Breite erreicht, die mich sehr zuversichtlich stimmen lässt“, so Lompscher. Was man in BVVs und in den Kiezen mittlerweile durchbekommt, sei sehr positiv. „Wir sehen Druck von unten“.
"Wann wird endlich die Preisspirale kaputt gemacht?"
Den Druck von unten bekommt am Montagabend auch die Senatorin zu spüren. Mehrfach wird aus dem Publikum nach dem Stand der Zusammenarbeit zwischen Senat und Baustadträten gefragt. Warum nicht mehr in die Höhe gebaut oder wann endlich die Preisspirale „kaputt gemacht“ werde. „Ich will nicht gleich in einen Rechtfertigungsmodus kommen“, sagt Lompscher. Ihr sei klar, dass die Dinge einen großen Anlauf brauchen.
Holm das letzte Wort des Abends. Das Problem lasse sich nicht auf die Frage verkürzen, ob genug gebaut werde. Den Satz wird die Bausenatorin gerne gehört haben.