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Perspektiven für Geflüchtete. In der Übungswerkstatt des Projekts Arrivo lernen Neuberliner verschiedene Handwerksberufe kennen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) und Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz (l.) bei einem Besuch im Oktober 2017.
© Sophia Kembowski/dpa

Arbeitsmarkt: Berlin schreckt ausländische Fachkräfte ab

Berlin fehlen über 100.000 Fachkräfte. Migranten und Geflüchtete könnten die Lücke schließen, doch häufig kämpfen sie mit bürokratischen Hürden.

Eigentlich hätte Geldon Zeqaj in dieser Woche seinen ersten Arbeitstag als ausgebildeter Tischler gehabt. Eigentlich. Doch tatsächlich heißt es für den 26-Jährigen in den nächsten Wochen: warten – und weiter auf Stütze leben. „Das ist verrückt, ich habe drei Jahre gearbeitet, und jetzt darf ich es auf einmal nicht mehr“, sagt er hörbar frustriert am Telefon.

2015 kam Zeqaj aus Albanien nach Deutschland. Deutsch hatte er in der Schule gelernt, in Berlin fand er schnell einen Tischlerei-Betrieb in Weißensee und konnte eine Ausbildung beginnen. „Wenn man drei Jahre eine Ausbildung macht, dann lernt man auch alles, um in Deutschland leben zu können“, sagt er. Die Arbeit habe ihm Spaß gemacht. Auch sein Chef war zufrieden mit ihm, wollte Zeqaj für mindestens zwei weitere Jahre einstellen.

Bis zu sechs Wochen darf Zeqaj nicht arbeiten

Nach der sogenannten 3+2 Regelung darf ein Geflüchteter, der eine Ausbildung begonnen hat und die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, auch dann die Ausbildung abschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung ausüben, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird – was bei Zeqaj der Fall ist. Doch als er sich vor einigen Wochen bei der Ausländerbehörde meldet, fordern die den Gesellenbrief. Den aber gibt es erst am letzten Ausbildungstag – vergangenen Freitag.

Nun muss Zeqaj zwei bis sechs Wochen warten. Statt Steuern zu zahlen und für Miete, Unterhalt und BVG-Ticket selbst aufzukommen, bekommt er nun wieder Zuschüsse vom Landesamt für Flüchtlinge.

Bis 2030 fehlen 230.000 Fachkräfte

Der Fall von Geldon Zeqaj ist nur eins von vielen Beispielen, wie viele Hürden es für Migranten und Geflüchtete in der Integration des Arbeitsmarktes gibt. Oft beginnen die Probleme schon viel früher, nämlich bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen. Dabei fehlen Berlin laut aktuellen Schätzungen der Industrie und Handwerkskammer (IHK) rund 121.000 Fachkräfte, vor allem im Handel, Gastgewerbe und in der Bauwirtschaft, zunehmend aber auch im Gesundheitswesen und in der Technologiesparte.

Bis 2030 rechnen die Experten sogar nochmal mit einer Verdoppelung der Zahlen allein in Berlin. Hoffnung setzt nicht nur die IHK in ausländische Fachkräfte, deren Zahl sich in Berlin in den vergangenen fünf Jahren bereits um 50 Prozent, beziehungsweise 84.000 Erwerbstätige mit ausländischem Pass, gesteigert hat – trotz bürokratischer Hürden. Am Donnerstag beschäftigte sich der Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales im Abgeordnetenhaus mit den Problemen bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschüssen.

Laut Lageso gibt es den Beruf Altenpfleger nur in Deutschland

Häufig sind es nur Kleinigkeiten, die es ausländischen Bewerbern schwer machen, rasch eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. So verlangt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) bereits beim Antrag zur Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung für Medizinfachberufe deutsche Sprachkenntnisse auf B2-Niveau – obwohl die Wartezeit für einen persönlichen Termin und die Bearbeitung mehrere Monate beansprucht. Zudem gebe es beispielsweise das Berufsbild „Altenpfleger/-in“ nur in Deutschland, eine Gleichwertigkeitsfeststellung lehnt das Lageso deshalb ab.

Ein weiteres Problem: Viele Antragsdokumente sind lediglich auf deutsch verfügbar. „Als türkische Bewerberin mit Englischkenntnissen wäre ich verzweifelt“, sagt Alev Deniz im Ausschuss. Sie ist seit 2017 Leiterin des Landesnetzwerkes „Integration durch Qualifikation“ (IQ). Das Netzwerk berät in Berlin Menschen mit ausländischen Abschlüssen, die einen Antrag auf Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse stellen und vermittelt gegebenenfalls an weitere, spezialisierte Projektpartner. Rund 4000 Beratungen habe man in den vergangenen Jahren durchgeführt, der Bedarf steige aber an. „Wir brauchen deshalb mehr unabhängige Beratungsstellen“, sagte Deniz. Damit will sie künftig auch besser Anfragen aus dem Ausland betreuen – bisher fehlt es hier an digitalen Unterlagen und Personal mit arabischen Sprachkenntnissen.

"In Berlin läuft es nicht richtig gut."

Ein anderes Problem haben ausländische Bewerber für Lehrberufe. Haben sie nur eine „Ein-Fach-Ausbildung“ erkennt sie die Bildungsverwaltung nicht gleichwertig an, sondern verlangt erst den Erwerb einer Lehrerlaubnis für ein Zweitfach. Arbeiten können sie in dieser Zeit – trotz Lehrermangel in Berlin – nicht.

„In Hamburg kann ein zweites Fach berufsbegleitend angeeignet werden“, sagt Susanne Kahlefeld (Grüne). Sie kritisiert, dass die Behörden hier eine „falsche Fürsorge“ ausüben würden. Kahlefeld beschäftigt sich seit Jahren mit den Problemen der Berufsanerkennung. Ihr Fazit: „In Berlin läuft es nicht richtig gut.“

Senatorin Breitenbach will nachbessern

Auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) beteuerte im Ausschuss, man habe die Probleme erkannt: „Ich finde das sehr dramatisch, denn wir lassen sonst auch keinen Moment aus, um auf den großen Fachkräftemangel hinzuweisen.“ Zur Unterlageneinreichung brauche man kein hohes Sprachniveau, sagte die Senatorin.

Ein Problem sei auch, dass die Zuständigkeit bei der Anerkennung in vielen verschiedenen Zuständigkeitsbereichen liege. „Wir müssen nochmal alle Kammern und Beteiligte an einen Tisch holen“, kündigte Breitenbach an, um die Anerkennungsprozesse zu beschleunigen. Bis ihre Senatskollegen aus der SPD, Dilek Kolat (Gesundheit), Sandra Scheeres (Bildung) und Andreas Geisel (Inneres für die Ausländerbehörde) dafür jedoch zusammenkommen, dürfte es aber noch ein bisschen dauern. Zeit, in der nicht nur Geldon Zeqaj warten wird.

Felix Hackenbruch

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