Stadtentwicklung: Berlin plant 7000 Wohnungen auf Kleingarten-Flächen
Der Senat ringt um einen Stadtentwicklungsplan. Ab 2030 droht das Aus für 26 Kleingarten-Anlagen – auch für Schulen und Kitas sollen Parzellen bebaut werden.
Das „Potenzial“ ist groß, und ab 2030 könnten die Bagger rollen auf 26 Kleingartenanlagen. 7000 Wohnungen sollen auf den Flächen entstehen. Die Lage ist verzwickt – was sich auch an der gewundenen Stellungnahme der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ablesen lässt. „Die rot-rot-grüne Koalition hat sich verständigt, dass von den 160 Kolonien auf Landesflächen, die als Bauland ausgewiesen sind, 26 für den Bau von 7000 Wohnungen im Mengengerüst des Stadtentwicklungsplan Wohnen enthalten sind“, hieß es auf Anfrage. Entschieden sei aber noch nichts. Nur eine „Verabredung“ gebe es.
Kleingärtner haben eine starke Lobby. Deren Zorn will sich Rot-Rot-Grün durch eine Reihe von Gesprächen vom Leibe halten zwischen den Fraktionschefs und den Staatssekretären der zuständigen Verwaltungen für Stadtentwicklung, für Verkehr, für Finanzen und schließlich auch im Dialog mit den Kleingärtnern selbst. Das zweite Spitzengespräch fand am Mittwoch statt.
Im Flächennutzungsplan der Stadt sind rund 160 Kleingartenkolonien auf landeseigenen Grundstücken als „Bauflächen“ festgesetzt. Bis 2030 sind die meisten Anlagen ohnehin vom Senat geschützt. Die bisherige Planung im zurzeit noch gültigen „Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025“ sah 48 Kolonien „prioritär für eine Inanspruchnahme für Wohnungsbau“ vor.
„Unser Ziel ist es, den Flächennutzungsplan so anzupassen, dass die heute noch vorhandenen Gartenkolonien nicht für den Wohnungsbau wegfallen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek dem Tagesspiegel. Das sei „final abgestimmt mit den Staatssekretären“. Von fest vereinbarten Plänen für die Bebauung der 26 Kolonien will sie nichts wissen. Im Gegenteil, fest geplant sei es, stadtweit „Liegenschaften für die Grün-Entwicklung anzukaufen“.
Ein Totalverbot der Bebauung von Flächen wollen die Grünen aber auch nicht: Bei „übergeordnetem Nutzen für die Allgemeinheit“ wie dem Bau von Schulen, Krankenhäusern oder Verkehrswegen soll es Ausnahmen geben. Ab 2020 sollen bereits einzelne Anlagen beispielsweise mit öffentlicher Infrastruktur wie Krankenhäusern, Schulen, Kitas oder Straßen bebaut werden.
Öffentliche Infrastruktur auf 15 Kleingartenanlagen in Berlin geplant
Nach Tagesspiegel-Informationen sind solche Projekte auf 15 Kleingartenanlagen in Berlin geplant. So soll eine neue Schulturnhalle in der Anlage „Bornholm II“ in Prenzlauer Berg errichtet werden. Die Anlage „Hamburg“ in Weißensee soll sogar komplett der Campus-Erweiterung der angrenzenden Kunsthochschule weichen. Im Bezirk Mitte ist laut Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) die Anlage „Nordkap“ in Wedding wegen der Erweiterung des Jüdischen Krankenhauses betroffen.
Welche 26 Anlagen als „Potenzial“ im Stadtentwicklungsplan Wohnen stehen, ist noch nicht öffentlich. Der Fokus bei der Auswahl liegt offenbar auf zentral gelegenen Anlagen mit guter Verkehrsanbindung. Im Bezirk Pankow sind deshalb die Anlagen entlang der Prenzlauer Promenade und der parallelen Tino-Schwierzina-Straße in den Fokus gerückt.
Hier verkehrt die Tramlinie M2 zum Alexanderplatz. Dem Vernehmen wird auch die Kombination von Wohnungsneubauten und angrenzenden Kleingärten geprüft. Ob wirklich gebaut wird, soll auf einem separaten Termin mit den Bezirken durchgesprochen werden. Am 7. März würden die Kleingartenverbände informiert, hieß es. Im zweiten Quartal 2019 sollen die endgültigen Versionen der Stadtentwicklungspläne Wohnen, Kleingärten, Verkehr, Gewerbe zeitgleich in den Senat eingebracht werden.
Die von einer Bebauung betroffenen Kleingärtner sollen Ersatzflächen angeboten bekommen, sagten die Baustadträte von Mitte und Pankow übereinstimmend. Das könnte aber auch über eine Verkleinerung und Neuaufteilung der verbliebenen Parzellen geschehen. In Pankow wird an der Hansastraße derzeit eine sogenannte „Musterkleingartenanlage“ als Ersatzfläche angelegt. Allerdings wird diese nur etwa 80 Parzellen enthalten.
Die „Nordkap“-Pächter in Mitte sollen Ausgleichsflächen auf dem ehemaligen Friedhof Rehberge erhalten. Außerdem soll die Finanzverwaltung den Ankauf weiterer Grünflächen zum Ersatz prüfen. Das gehört auch zur politischen Forderung der Grünen, die stadtweit Flächen für die Grün-Entwicklung ankaufen wollen, sagte Grünen-Fraktionschefin Kapek. Ein drittes Spitzentreffen der Fraktionsspitzen mit den Staatssekretären soll auch dafür eine Strategie festlegen.
Mitarbeit: Laura Hofmann
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