Neutralitätsgesetz: Berlin legt Revision gegen Kopftuch-Urteil ein
Das Land will sein Neutralitätsgesetz höchstrichterlich überprüfen lassen - und geht gegen das Kopftuch vors Bundesarbeitsgericht.
Das Land Berlin hat wie angekündigt Revision beim Bundesarbeitsgericht gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin eingelegt, das einer Lehrerin eine Entschädigung zusprach, weil diese aufgrund ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst eingestellt wurde. Rechtsanwältin Seyran Ates, die das Land Berlin vertritt, bestätigte dies am Mittwoch. Dies war auch bereits im November von der Bildungsverwaltung angekündigt worden, da man einmal höchstrichterlich durchentscheiden lassen will, ob das Berliner Neutralitätsgesetz verfassungsgemäß ist.
In dem Fall geht es um eine Informatikerin, die sich als Quereinsteigerin beworben hatte. Ihr müssen nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts für die Benachteiligung anderthalb Monatsgehälter Entschädigung gezahlt werden: 5159,88 Euro. Das war das Berufungsverfahren.
Das Arbeitsgericht als Vorinstanz hatte keine Zweifel an der Gültigkeit des Berliner Neutralitätsgesetzes. Der Gesetzgeber habe in zulässiger Weise die Glaubensfreiheit der Lehrkräfte gegen die Religionsfreiheit der Kinder, das Erziehungsrecht der Eltern und den staatlichen Erziehungsauftrag abgewogen, hieß es in der mündlichen Begründung damals. Es dürfe auch berücksichtigt werden, dass die Lehrkräfte speziell bei jüngeren Schülerinnen und Schülern eine Vorbildfunktion innehätten. Die Einschränkung der Religionsfreiheit der Klägerin sei hinzunehmen, zumal die Klägerin mit Kopftuch an einer beruflichen Schule arbeiten könne.
Konkrete Gefahr für den Schulfrieden?
Das Berufungsgericht sah dies jedoch anders. Es gebe keinen Anlass anzunehmen, dass der Schulfrieden durch das Tragen des Kopftuchs gefährdet gewesen wäre. Das Gericht sei bei der Auslegung des Berliner Neutralitätsgesetzes an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2015 gebunden, wonach für ein allgemeines Verbot religiöser Symbole eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden vorliegen müsse.
Seyran Ates hält dies für falsch. „Schon die Tatsache, dass eine Lehrerin Kopftuch trägt, gefährdet den Schulfrieden und birgt die Gefahr der religiösen Beeinflussung der Schüler“, sagt Ates. Sie ist Imamin der von ihr gegründeten liberalen Ibn-Rushd-Moschee und erscheint stets mit Personenschützern, da sie massiv bedroht wird. Die Konflikte an den Schulen verschärften sich zusehends, sagt sie, es gehe dabei um Sitte und Moral und Anstand und die Frage, was ein guter Moslem sei.
Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Kopftuchurteil von 2015 für genau solche Fälle ein generelles Kopftuchverbot als weiterhin möglich anerkannt.
Die Revision ist folgerichtig, wenngleich man die erste Gelegenheit dieser Art bewusst hat verstreichen lassen. Im Mai 2017 ließ die Bildungsverwaltung die Revisionsfrist in einem anderen Fall, in dem sie Entschädigung zahlen musste, ablaufen. Damals war der Fehler gewesen, dass das Kopftuch als Begründung für die Ablehnung der Bewerberin ausdrücklich genannt wurde – ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz.
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