Studie von DIW und TU: Berlin könnte viel mehr Industriejobs haben
Auch wenn die Stadt nicht so wirkt: Berlin ist der zweitgrößte Industriestandort Deutschlands - und hätte das Zeug zur Nummer eins, sagen Wirtschaftsforscher.
Wer meint, der Standort Berlin wirtschafte ausschließlich mit Gründern, Kreativen und Touristen, täuscht sich. Nicht gewaltig, aber doch ein wenig. Das haben Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der TU Berlin analysiert. In einem von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekt wurden zwischen 2016 und 2018 großstädtische Industriestandorte miteinander verglichen. Ergebnis: In Berlin hat die Industrie zwar nur einen relativ kleinen Anteil an der Wirtschaft insgesamt, aber die Stadt ist kein kleiner Industriestandort. Mit fast 107.000 Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe lag die Hauptstadt 2016 unter allen deutschen Großstädten hinter München an zweiter Stelle.
Und – anders als in München und Hamburg – ist die Industrie entlang der Spree deutlich breiter aufgestellt, bietet also mehr größere Felder, an denen auch neue Investoren ihre Betriebe leicht andocken und Fachpersonal rekrutieren können. Sechs Branchen beschäftigen in Berlin mehr als 10.000 Menschen, in Hamburg sind es lediglich drei, in München sogar nur zwei. Besonders stark sind in Berlin unter anderem die Pharma-, Metall- und Nahrungsmittelindustrie vertreten.
Industrie und Dienstleistung: Die Mischung macht's
Ein gewisser Anteil an industriellen Arbeitsplätzen ist wichtig für die sozioökonomische Mischung einer Stadt. Industriejobs sind in der Regel besser bezahlt als Jobs in klassischen Dienstleistungsbranchen. Daher versuchen Standortförderer, darunter Kammern und der Senat, zum Beispiel im sogenannten „Steuerungskreis Industriepolitik“ dem Trend entgegenzuwirken, dass in Berlin der Industrieanteil seit Jahren sinkt. „Viele halten das bis heute für einen fast natürlichen Prozess der Dienstleistungsorientierung der Wirtschaft. Aber stimmt das?“, fragt der beim DIW verantwortliche Forschungsdirektor Martin Gornig.
Mit Kollegen von der TU hat er Daten von rund 250 Regionen in der EU analysiert – und dabei auch die besondere Rolle von Hauptstädten untersucht. „Dabei zeigt sich, dass es ungünstig für die Industrie ist, wenn die Entfernung zu den zentralen Regionen Europas an Themse, Rhein und Po groß ist und die Bevölkerungsdichte hoch. Stark unterschiedlich wirken aber auch nationale Rahmenbedingungen.“
Der Senat könnte mehr tun, sagt der Experte
In Deutschland seien diese für die Industrie eher günstig. Sondereinflüsse, wie die Hauptstadtfunktion, wirkten sich dagegen negativ auf den Industrieanteil. „Für Berlin kommt man in der Summe aber zu dem überraschenden Ergebnis, dass der zu erwartende Industrieanteil um fast 50 Prozent höher liegt als er tatsächlich ist. 2015 lag er bei rund 6,5 Prozent, erwarten dürfte man einen Anteil von 9,8 Prozent.
„Angesichts der großen Potentiale, die Berlin durch seine ausgeprägte Forschungslandschaft und die kreative Gründerszene besitzt, könnte also die Zahl von Industriearbeitsplätzen künftig spürbar wachsen“, meint Gornig. Der Senat könne diesen Prozess befördern. So könne eine aktive Flächenpolitik die industrielle Produktion auch in attraktiven Stadtlagen ermöglichen, wenn zum Beispiel beim Neubau nicht nur Quoten für billigen Wohnraum, sondern auch für günstige Gewerbefläche eingefordert werden.
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