Einigung mit Siemens: Berlin kann doch schnell neue U-Bahnen kaufen
Fahrgäste können aufatmen: Die BVG darf nun doch neue U-Bahnen kaufen. Siemens zieht seine Klage gegen den Plan der BVG, Dutzende U-Bahn-Wagen bei Konkurrent Stadler zu kaufen, zurück.
Fahrgäste können aufatmen: Die BVG darf neue U-Bahn-Züge kaufen. Die Gefahr, dass wegen Fahrzeugmangels Züge mit weniger Wagen fahren oder der Fahrplan eingeschränkt wird, ist zumindest vorläufig gebannt. Nach Tagesspiegel–Informationen zieht Siemens seine Klage gegen den Kauf von 80 Wagen beim Berliner Unternehmen Stadler zurück. Die Einigung sieht demnach vor, dass die BVG zunächst 56 Wagen kaufen darf; auf 80 darf sie die Zahl erhöhen, wenn sie weitere Fahrzeuge unplanmäßig wegen irreparabler Schäden aus dem Betrieb nehmen muss. Weder von der BVG noch von Siemens gab es dazu am Mittwoch Stellungnahmen.
Der jeweils amtierende Senat und die BVG hatten es in den Supersparjahren unterlassen, neue Züge zu bestellen. Statt dessen sollten zum Teil uralte Fahrzeuge mit aufwändigen Arbeiten wieder für einen mehrjährigen Einsatz fit gemacht werden. Bei der 1979 gebauten Baureihe F 79 stellte sich aber während der Arbeiten, wie berichtet, heraus, dass entstandene Risse nicht mehr zu reparieren sind. Insgesamt waren 70 Wagen betroffen; mehrere sind schon abgestellt.
Um schnell an neue Züge zu kommen, wollte die BVG das nach EU-Recht erforderliche Ausschreibungsverfahren umgehen und eine laufende Serie von Neubaufahrzeugen bei Stadler aufstocken – für weitere 120 Millionen Euro. Dagegen erhob Siemens Einspruch, unterlag bei der Vergabekammer, die die „Notlage“ der BVG ohne Einschränkungen anerkannt hatte, und zog vor Gericht. Ein Gütetermin war gescheitert, die nächste Verhandlung ist für den 16. Oktober angesetzt.
Siemens kann Berlin derzeit keine geeigneten Bahnen anbieten
In der Branche hatte man den Alleingang von Siemens nicht verstanden. Eigene für Berlin geeignete Bahnen kann der Konzern derzeit nicht anbieten. Auch die Konkurrenz schafft das nicht; auf Klagen hat sie aber verzichtet. Um einen Großauftrag für rund tausend Wagen, der derzeit vorbereitet wird, will sich Siemens zusammen mit dem Berliner Hersteller Bombardier aber bewerben.
Die Züge, die Stadler – nach einer gewonnenen Ausschreibung – derzeit baut, sind für die Linien U 1 bis U 4 konzipiert worden, bei denen die Tunnel – und die Fahrzeuge – schmaler sind. Gebraucht werden Neubauten durch die Probleme mit den breiteren Zügen der Reihe F 79 aber auch auf den anderen Linien. Durch Anbauten hat man bereits eine erste Serie passend gemacht. Da die schmaleren Züge mit acht Wagen länger sind als die Sechs-Wagen-Einheiten der breiteren Serie, können die umgebauten schmalen Züge nur auf der U 5 (Hönow–Alexanderplatz) fahren, da nur dort die Bahnsteige lang genug sind.
Der Einsatz dort bleibt aber eine Notlösung. Er ist unwirtschaftlich, die Kapazität ist geringer und die Fahrgäste haben weniger Platz als in den breiten Bahnen. So bald es genügend neue breite Bahnen gibt, was noch Jahre dauern wird, werden die auf breit getrimmten Züge wieder umgebaut und fahren dann wie vorgesehen durch die schmaleren Tunnel. Ende 2020, wenn nach derzeitigem Stand die Lücke der U 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor geschlossen ist und über die heutige U 55 dann der Hauptbahnhof erreicht wird, müssen die Verlegenheitszüge jedoch noch fahren.
Derzeit werden aber auch auf den Linien mit den schmalen Tunneln dringend neue Fahrzeuge gebraucht. Weil mehr Züge als geplant aufgrund ihres Alters ausfallen und in die Werkstatt müssen, fahren, wie berichtet, häufig Züge mit weniger Wagen als vorgegeben – oder Fahrten fallen aus. Hier baut Stadler derzeit Züge, die noch in diesem Jahr ausgeliefert werden. Und dann kann nach der Einigung mit Siemens die Produktion einfach weitergehen.
Klaus Kurpjuweit