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Als hätte nur Berlin das Sagen! Der Regierende Bürgermeister Müller am Mikrofon nach einer BER-Aufsichtsratssitzung.
© Gregor Fischer/dpa

Flughafen-Baustelle: Berlin ist am BER-Chaos nicht allein schuld

Der Architekt ist aus Hamburg, die Baufirmen kommen von überall her, und die Bauherren sind zu dritt. Wieso wird eigentlich immer nur Berlin für die BER-Baustelle verantwortlich gemacht? Ein Gegenruf.

Eigentlich sind es doch die Berliner, die im Ruf stehen, immer das letzte Wort haben zu wollen und sich für die geborenen Bewältiger aller Krisen zu halten, was ja während der Luftbrücke hinlänglich und für alle Zeiten gültig bewiesen wurde. Der Brandenburger hingegen gilt als eher schweigsam, zurückhaltend, etwas langsam. Im Gegensatz dazu sind die Bayern gut im verbalen Austeilen, und die Kunst der Intrige, dieses Spiel beherrschen sie auch.

Sie fragen sich, was dieser Vergleich typischer Eigenschaften zwischen Berlinern, Brandenburgern und Bayern soll? Hier die Erklärung: Berlin, Brandenburg und der Bund sind die drei Gesellschafter der Berliner Flughafengesellschaft, die wiederum den Hauptstadtflughafen BER zu bauen versucht. Seit 2009 ist der jeweilige Bundesverkehrsminister, dessen Haus den Anteilseigner Bund in der Gesellschaft vertritt, ein CSU-Mann.

Es gehört zu den inzwischen global verbreiteten Erzählungen unter Touristen, Politikern und Geschäftsleuten, dass die Berliner alles können – außer Flughafen bauen. Regelmäßig geben wir uns auch ganz zerknirscht, wenn das Thema hochkommt, weil da draußen in Schönefeld aber auch gar nichts klappen will, nicht mal die Türen auf und zu. Klaus Wowereit, der die deutsche Hauptstadt als größte Spaßmaschine überhaupt gekonnt vermarktet hat, bekam wegen der BER-Pannen Wutanfälle. Sein Nachfolger Michael Müller hat noch schmalere Lippen als früher, seit er den Vorsitz des Aufsichtsrates nun doch wieder übernommen hat. Okay, wir Berliner können das eben nicht: Flughafen bauen.

Die CSU macht natürlich gern die Sozen verantwortlich

Moment mal! Warum ziehen wir uns diesen Schuh eigentlich an? Der Flughafen BER liegt in Brandenburg und nicht in Berlin. Entworfen wurde er von einem Hamburger Architekten. Gebaut wurde er durch Firmen von weiß Gott woher. Für die allerfeinste Elektronik, die Rauchklappen und Türen steuern sollte, das aber nicht tut, sind ein bayerisches und ein schwäbisches Weltunternehmen verantwortlich. Unter den bisherigen Flughafenchefs, die man für die eine oder andere oder alle Pannen verantwortlich machen könnte, war nur Mehdorn teilweise Berlin-geprägt. Dennoch ist in Schönefeld Berlin gescheitert, heißt es. Nicht die Gesellschafter Brandenburg und Bund, sondern nur Berlin.

Schauen wir mal auf die Eigentümerstruktur: Berlin und Brandenburg halten jeweils 37 Prozent, der Bund die restlichen 26. Wenn für die Pannen im BER nur Berlin verantwortlich ist – warum hat es nie einen 63-gegen-37-Prozent- Beschluss gegeben, um die fehlbaren Berliner in den Senkel zu stellen? Ganz einfach: Erstens ist die Ausgangsthese Quatsch und zweitens hat der Bund, vertreten durch einen CSU-Minister, am Gedeihen des Münchner Flughafens naturgemäß ein größeres Interesse als an der Fertigstellung eines künftigen Konkurrenten in Berlin.

Und außerdem macht es sich immer gut, wenn ein CSU-Minister im Brustton der Überzeugung sagen kann, dass die regierenden Sozen in Potsdam und Berlin nicht mit Geld umgehen können. Ob das dann auf Wowereit, Müller, Platzeck oder Woidke zielt, ist egal, jede Platzpatrone zählt.

Brandenburg muss eigentlich für Nachtruhe sorgen

Apropos Dietmar Woidke. Der brandenburgische Regierungschef hat einen gewichtigen innenpolitischen Grund, sich in Sachen Flughafen ganz klein zu machen, so, als habe er dort nichts zu sagen. Die Brandenburger rund um den Flughafen möchten eine längere Nachtruhe auf dem BER haben als jetzt vorgesehen ist. Seit dem Flughafenurteil des Bundesverwaltungsgerichtes 2006 ist eine absolute Ruhephase zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens vorgesehen, die nur durch Notfälle, Regierungsflüge und Postflüge unterbrochen werden darf. Die Anlieger haben aber der brandenburgischen Landesregierung qua Volksbegehren aufgegeben, für eine Ruhephase zwischen 22 und sechs Uhr zu kämpfen.

Das hat Woidke auch versucht, ist aber am Widerstand Berlins und des Bundes gescheitert. Warum? Eine achtstündige Betriebspause hätte massive Auswirkungen auf den Interkontinentalverkehr, aber auch auf die Umläufe der Europa-Flieger. Was tut der kluge Politiker daher? Er erweckt den Eindruck, mit alledem nichts zu tun zu haben.

Und das klappt auch ganz gut, denn die Berliner haben noch nicht kapiert, dass ihnen beide Mitgesellschafter permanent den Schwarzen Peter unterjubeln. Michael Müller gab nach der letzten Aufsichtsratssitzung die Devise aus: Wir gehen jetzt in die Schlusskurve. In der Leichtathletik heißt das: Das Tempo wird noch ein letztes Mal angezogen, Schlussspurt nennt man das.
Sehr gut! Kleiner Hinweis an Brandenburg und den Bund: Ihr seid nicht bei den Zuschauern. Ihr gehört zu den Läufern.

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