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Aktivisten protestieren in Berlin für mehr Klimaschutz.
© Carsten Koall/dpa

Noch keine Investitionen: Berlin hinkt seinem Klimaschutzprogramm hinterher

100 Millionen Euro stehen für das Klimaschutzprogramm der rot-rot-grünen Regierung bereit. Ausgegeben wurde bislang nichts.

Es wird allmählich Zeit, dass der Senat vor dem Berliner Rathaus Regentänze aufführt, um den chronischen Hochsommer wenigstens für ein paar Tage zu unterbrechen. Andere Mittel, den überhitzten Wettergott zu mäßigen, stehen offenbar nicht zur Verfügung. Zwar hat Rot-Rot-Grün im Januar dieses Jahres ein Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) auf den Weg gebracht, um den Kohlendioxidausstoß in Berlin bis 2030 (im Vergleich zu 1990) um 60 Prozent zu mindern. Dafür stehen in dieser Wahlperiode 100 Millionen Euro zur Verfügung. Real investiert wurde bisher – nichts.

Ende Juni hat die Umweltbehörde des Senats erstmals Bilanz gezogen. Aufgeführt werden zwei Dutzend Projekte. Dazu gehören beispielsweise der Masterplan „Solarcity“, ein Energiespar-Förderprogramm, klimaneutrale Ernährungsangebote in öffentlichen Kantinen und Schulen, Effizienzkampagnen oder ein Bauinfozentrum.

Geplant sind auch Online-Energieberater und ein Berliner Klimasparbuch als Hilfestellung für private Verbraucher. Allein in diesem Jahr stehen für öffentliche Ausgaben und Zuschüsse an private Unternehmen, die dem Klimaschutz in Berlin dienen, 21,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein halbes Jahr, nachdem das „Energie- und Klimaschutzprogramm 2030“ von SPD, Linken und Grünen im Abgeordnetenhaus mit viel Vorschusslorbeeren beschlossen wurde, betragen die tatsächlichen Ausgaben immer noch: null Euro. Schaut man sich in der schriftlichen Bilanz die „erreichten Meilensteine“ an, klaffen überall große Lücken. Alles bewegt sich noch auf dem Niveau von „Konzepterstellungen“ und „Leistungsbeschreibungen“, der „Erarbeitungen einer Projektskizze“ oder der „Prüfung der Erstellung eines Handlungsleitfadens“.

Clubs wollen klimafreundlicher werden

Immerhin gibt es schon den Entwurf einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Umwelt- und der Bildungsverwaltung des Senats für eine „langfristige Klimabildungsförderung“. Und es wurden erste Vorarbeiten für ein Label „Berlin Green Club“ getroffen, mit dem sich die Clubs der Partyhauptstadt, die normalerweise Energieschleudern sind, als klimafreundlich ausweisen können.

Mehr hat Berlin aber noch nicht zu bieten. Die Senatsumweltverwaltung begründet dies damit, dass „die Abstimmungen mit den beteiligten Verwaltungen zum Umsetzungskonzept für das BEK 2030 noch nicht abgeschlossen sind“.

Verantwortlich für die Zeit- und Kostenpläne des Programms, das langfristig über hundert Einzelvorhaben umfasst, sind die jeweils zuständigen Fach- und Bezirksverwaltungen. Die Umweltbehörde steuert und koordiniert, im ersten Halbjahr mit mäßigem Erfolg. Zumal das Geld für die Projekte nicht nur aus dem Landeshaushalt kommt, sondern auch vom Bund und der EU.

Der landeseigene Investitionsfonds Siwana stellt sechs Millionen Euro zur Verfügung. Dies alles erschwert eine zügige und flexible Zusammenarbeit. Außerdem sind von den sieben zusätzlichen Personalstellen für die Steuerung und finanzielle Abwicklung des Energie- und Klimaschutzprogramms erst drei besetzt.

Frist für Online-Informationssystem ist abgelaufen

Seit einem Jahrzehnt basteln diverse Landesregierungen – erst Rot-Rot, dann Rot-Schwarz und jetzt Rot-Rot-Grün – an verbindlichen Regelungen zum Klimaschutz herum. Doch erst am 25. Januar 2018 wurde das „Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030“ vom Parlament beschlossen. „Jetzt geht es los! Wir haben die Haushaltsgelder, wir haben den politischen Willen, wir haben die Mehrheit in der Stadt, jetzt wird nicht mehr gelabert, jetzt wird investiert“, sagte damals der Grünen-Abgeordnete Georg Kössler in seiner Rede.

Nicht minder hoffnungsfroh sagte der Linken-Politiker Michael Effler in der Parlamentsdebatte voraus: „Jetzt kann der Klimazug starten.“ Immerhin mahnte der Abgeordnete an, dass es wichtig sei, den Erfolg der Maßnahmen auch messen zu können. Nun liegt der erste „Umsetzungsbericht“ des Senats vor.

Die Umweltverwaltung hat außerdem ein „digitales Monitoring- und Informationssystem“ versprochen, das auf der Internetseite berlin.de im zweiten Quartal 2018 online gestellt werde. Diese Frist ist abgelaufen. Einen neuen Termin nannte die Senatsbehörde nicht.

Das Monitoring befinde sich derzeit „in der Endredaktion“. Es soll künftig die „Umsetzung und Wirksamkeit“ der Berliner Klimaschutzvorhaben überprüfen und öffentlich darstellen. Bisher fehlt es aber nicht nur an konkreten Projekten, sondern auch an Basisinformationen. Auf eine Anfrage des Tagesspiegel, wie sich die Kohlendioxid-Emission in Berlin entwickelt habe, teilte ein Sprecher mit, dass die aktuellsten amtlichen Zahlen das Jahr 2014 betreffen. Ulrich Zawatka-Gerlach

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