Radverkehr um 25 Prozent gestiegen: Berlin hat in Coronakrise bislang 21,5 Kilometer Pop-up-Radwege gebaut
Temporäre Radwege sollen Fahrradfahren sicherer machen - und ein Bezirk liegt bei ihrem Bau ganz weit vorne. Doch nicht alle sind sich über ihren Zweck einig.
Rund 21,5 Kilometer Pop-up-Radwege sind in Berlin während der Corona-Krise errichtet worden. Die meisten temporären Radwege wurden in Friedrichshain-Kreuzberg mit 11, 9 Kilometern gebaut. In Charlottenburg-Wilmersdorf waren es 7,2 Kilometer, in Pankow 2,38 Kilometer, und in Mitte waren es nur 580 Meter - am Schöneberger Ufer von Potsdamer Brücke bis Köthener Straße (Stand: 29. Juni).
Dies geht aus einer Kleinen Anfrage des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. „Mit den Pop-up-Radwegen kann die Verkehrsverwaltung schön den Anschein erwecken, dass neue Radwege gebaut werden. Das waren seit 2017 aber nur 99,2 Kilometer“, kritisiert Kohlmeier.
Weitere temporäre Radfahrstreifen wurden inzwischen angeordnet auf der Attilastraße in Tempelhof-Schöneberg zwischen Röblingstraße/Gersdorfstraße und Ringstraße, auf dem Steglitzer Damm in Steglitz-Zehlendorf (zwischen Bismarckstraße und Munsterdamm), auf dem Adlergestell in Treptow-Köpenick (zwischen Rudower Chaussee und Fennstraße stadtauswärts), auf der Blaschkoallee in Neukölln (zwischen Britzer Damm und Buschkrugallee). Eine Verbreiterung des bisher bestehenden Radfahrstreifens ist in Kreuzberg auf der Zossener Straße zwischen Zossener Brücke und Blücherstraße geplant.
Diese Zahl hatte Kohlmeier durch eine andere Anfrage erhalten. Für den SPD-Rechtspolitiker, der als Jurist das Mobilitätsgesetz mit verfasst hat, ist die Bilanz nach zwei Jahren Mobilitätsgesetz „keinesfalls überzeugend“. Denn der Fahrradverkehr ist in Berlin deutlich gestiegen. Mehr als 2,3 Millionen Radfahrer bewegen sich auf den Straßen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung von 25 Prozent. In Berlin gibt es rund 1120 Kilometer Fahrradwege.
Kohlmeier ärgert sich auch aus Sicherheitsaspekten über die provisorischen Radwege. „Sie führen zu mehr subjektiv gefühlter Sicherheit, aber gerade an Kreuzungen, die besonders unfallträchtig sind, wird die gefühlte Sicherheit zur Gefahr“, sagt er. Die Pop-up-Radwege würden mit den Baken „eher wie Baustellen ausstellen“. Der SPD-Politiker fordert eine Abtrennung der Radwege „mit festen Begrenzungen“. Besonders „visionär“ fände Kohlmeier eine Abgrenzung mit LED-Leuchten im Boden.
Mitte sieht in Pop-up-Radwegen ein "sicheres Angebot"
Das Thema Sicherheit der Radfahrer durch Pop-up-Radwege beantworten die Bezirke in der Anfrage sehr unterschiedlich. Mitte zum Beispiel antwortet, dass „bisher keine auswertbaren Ergebnisse“ vorlägen. Grundsätzlich seien Pop-up-Radwege aber ein „sichereres Angebot, da sie genügend Breite, Sichtbarkeit und Abstand gewähren“. Charlottenburg-Wilmersdorf „verlässt sich im Wesentlichen auf die fachliche Kompetenz“ der zuständigen Landesbehörden und führt „keine eigenen Gefährdungsbeurteilungen“ durch.
[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Das Pankower Bezirksamt schreibt, die Trennung der Verkehrsarten, also motorisierter Verkehr und Radverkehr, führe grundsätzlich zu einer „deutlichen Steigerung des subjektiven Sicherheitsempfindens“ bei den Radfahrern. Auch Neukölln und Tempelhof-Schöneberg sehen eine Erhöhung der Sicherheit für die Radfahrer. Treptow-Köpenick ergänzt diese Feststellung auch für Fußgänger.
Marzahn-Hellersdorf bekundet "Bedenken" hinsichtlich der Sicherheit
Marzahn-Hellersdorf betont, dass das Straßen- und Grünflächenamt „keine direkten Erfahrungen“ mit Pop-up-Radwegen habe. Grundsätzlich bestünden aber „Bedenken“ hinsichtlich der Sicherheit der Radfahrer. Denn problematisch und „teilweise gefährlich“ werde es beim Zusammentreffen verschiedener Verkehrsströme zum Beispiel auf Brücken, Querungen oder Kreuzungen.
Auch Steglitz-Zehlendorf kann nicht „pauschal“ antworten, was die Sicherheit für Radfahrer durch temporäre Radwege betrifft. Jeder Pop-up-Radweg müsse individuell betrachtet werden. Reinickendorf, Lichtenberg und Spandau haben keine Pop-up-Radwege eingerichtet. Als Begründung schreibt zum Beispiel das Bezirksamt Reinickendorf, dass „die großräumige Reduzierung von Parkraumbewirtschaftungen zugunsten der Radwege im Bezirk nicht begrüßt“ werde, weil diese Maßnahmen für den Einzelhandel als nachteilig und „für das Miteinander der Verkehrsteilnehmenden als abträglich eingeschätzt wird“.