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Der neue Regierende Bürgermeister findet in Berlin zahlreiche Baustellen vor.
© dpa

Flüchtlinge, Wohnungsbau, Personalmangel: Berlin braucht einen Neuanfang

Die Koordinaten in Berlin haben sich radikal verändert. Es geht für den künftigen Regierenden Bürgermeister um das Gefüge der wachsenden Stadt, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Er nimmt sich die Zeit, der künftige Regierende Bürgermeister. Schließlich geht es darum, komplizierte Gefüge neu zu tarieren. Nicht allein das seiner SPD, wo Kräfte an ihm zerren, denen er widerstehen muss zu seinem Besten, aber auch dem der Stadt. Da muss Michael Müller zeigen, dass er sich zu entscheiden weiß. Wer die vakanten Senatsressorts besetzen soll, sein eigenes für Stadtentwicklung oder das der Finanzen. Und wie er mit dem Gewicht des Mitgliedervotums auch das Machtvakuum in der SPD beendet und zugleich sicherstellt, dass es nicht rumort unter den Verlierern. Gefälligkeiten helfen Müller nicht – und vor allem nicht Berlin.

Denn der Koalitionspartner Frank Henkel hat ja recht: Es geht jetzt um einen Neuanfang. Die Koordinaten haben sich radikal verändert; in der Landesregierung und in der Stadt, die sich schneller wandelt als 2011 absehbar. Der Wechsel im Roten Rathaus ist der richtige Moment, sich zu vergewissern und zu bilanzieren. Flüchtlinge, Früheinschulung, Wohnungsbau – alles wichtige Themen. Beim Wohnungsbau, wo mehr passieren muss, wird es leichter, Impulse zu setzen. Denn der scheidende Finanzsenator Ulrich Nußbaum hatte in der Vergangenheit durchaus Freude daran, den Stadtentwicklungssenator Müller auszubremsen.

>>>Lesen Sie hier ein ausführliches Interview mit Innensenator Frank Henkel<<<

Michael Müller, der künftige Regierende Bürgermeister von Berlin.
Michael Müller, der künftige Regierende Bürgermeister von Berlin.
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Die Aufgabe aber ist größer – es geht um das Kleine. Es geht um das Gefüge der wachsenden Stadt, um das Missverhältnis zwischen Senatsverwaltungen und Bezirken, um den Konflikt zwischen Zentralismus und bürgernaher Dienstleistung. Denn in Berlin, die Stadt der zwölf Großstädte, – denn der Bevölkerung nach gehören die Bezirke zu den 20 größten Städten den Republik – ist das Oben und Unten seit Jahren aus dem Gleichgewicht.

Das Sarrazin'sche Dogma

Das Sarrazin’sche Dogma der 100.000 Mitarbeiter, eines radikalen Personalabbaus im öffentlichen Dienst, war 2002 eine unumgängliche Kampfansage gegen die aufgeblähte Bürokratie einer Stadt mit Vereinigungsschmerzen, war das Banner eines proklamierten Mentalitätswechsels. Finanzsenator Nußbaum hat dies zementiert. Ignoriert hat er, dass die Stadt nun wieder quietscht – diesmal aber, weil sie rasant wächst. Die Strukturen der zweistufigen Verwaltung tragen dem nicht Rechnung.

Verordnet ist den entkräfteten Bezirken ein weiterer Personalabbau, während ihre Aufgaben wachsen. Termine bei Bürgerämtern nur mit vierwöchiger Anmeldefrist, monatelanges Warten auf Elterngeld, kein Personal und Geld für die Pflege von Parks, und zu mehr als Baugenehmigungen sind die Stadtplaner der Bezirke nicht in der Lage – ein Armutszeugnis. Der Rat des Finanzsenators, die Bezirke müssten einfach effektiver werden, ist zynisch. Den Berlinern wird keine zeitgemäße Dienstleistung geboten, sie werden zu Opfern einer organisierten Mangelverwaltung.

Wowereit hat Berlin auf die Weltkarte gesetzt, Müller und Henkel müssen sie wieder zukunftsfest im märkischen Sand verankern. Wowereit hat über die Bezirke immer hinweggeschwiegen, der neue Regierende Bürgermeister muss sie ernst nehmen. Nötig sind eine aufgabenkritische Analyse und veränderte Strukturen, damit sie wieder leistungsfähig werden. Das ist zwingend, weil bald zehntausende Beschäftigte in Ruhestand gehen und damit eh ein radikaler Umbruch ansteht. Statt die Macht der Zentralverwaltungen weiter zu stärken, benötigt die wachsende Stadt einen neuen Stadtvertrag, der Bürgernähe nicht nur verspricht, sondern endlich einlöst. Sage keiner, das ist zu klein. Denn gutes Regieren ist das, was unten ankommt beim Bürger.

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