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Umstritten. Seit Monaten leben Flüchtlinge in einem Camp auf dem Oranienplatz. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Foto: Georg Moritz
© Georg Moritz

Flüchtlingsstreit: Berlin braucht 1000 neue Plätze für Asylbewerber

Rund 5000 Asylbewerber werden in diesem Jahr insgesamt in der Stadt ankommen, deutlich mehr als im Vorjahr. Es fehlen Heime, um die Ankommenden menschenwürdig unterzubringen – das könnte die NPD für ihre Hetze nutzen.

Angesichts von Kriegen, Diskriminierung und Armut fliehen immer mehr Menschen nach Deutschland – und besonders viele kommen zunächst in Berlin an. Für die Dauer eines Asylverfahrens bleiben gemäß einer Bundesregelung aber nur fünf Prozent aller Flüchtlinge in der Stadt. Vergangenes Jahr nahm Berlin demnach 3518 Asylbewerber auf, in diesem Jahr werden insgesamt 5000 Männer, Frauen und Kinder kommen – das bedeutet rund 2500 Neuankömmlinge in den kommenden Monaten. Dies teilten Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) am Mittwoch mit. Hintergrund sind Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das erstmals eine Prognose für 2013 bekanntgab: Rund 100 000 Menschen werden bis Jahresende nach Deutschland geflohen sein. Ursachen sind der Tschetschenien-Konflikt – 21 Prozent der Flüchtlinge in Berlin kamen 2012 aus Russland –, die Lage der Roma auf dem Balkan, die Kämpfe in Syrien und Afghanistan.

Insgesamt leben 14 000 Menschen in Berlin, die Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, viele davon in Wohnungen, was wegen des angespannten Marktes aber schwierig ist. Lageso-Chef Franz Allert zufolge werden in den nächsten Monaten 1000 neue Plätze benötigt – auch Notunterkünfte, die kurzfristig eingerichtet werden.

Übergriffe in Britz

In der Späthstraße in Neukölln-Britz wird demnächst ein altes Möbelhaus zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Beobachter weisen daraufhin, dass es gerade in Britz immer wieder Angriffe junger Rechtsradikaler auf vermeintliche Linke gegeben hat. Die NPD ist dort propagandistisch besonders aktiv. Wie berichtet, hatte eine neue Notunterkunft in Hellersdorf heftigen Streit ausgelöst. Vergangene Woche war es dort auf einer Bürgerversammlung zum Eklat gekommen, als Rechtsradikale das Wort ergriffen. Marzahn-Hellersdorf ist einer der Bezirke, die wenig Flüchtlinge aufgenommen haben. Selbst wenn die eingeplanten 200 Frauen, Männer und Kinder bald in das alte Schulgebäude einziehen, beherbergt der Bezirk nur rund fünf Prozent aller Berliner Asylbewerber. Angesichts befürchteter Übergriffe fordert der Flüchtlingsrat ein Sicherheitskonzept.

Senat plant treffen mit Anwohnern

Allert wies daraufhin, dass alle Unterkünfte häufiger von Polizeistreifen angefahren und Sicherheitsdienste verstärkt würden. Um den Anwohnern „berechtigte Sorgen und Ängste“ zu nehmen, sagte Senator Czaja wiederholt, es werde Treffen mit Anwohnern, Wohnungsbaugesellschaften und Hilfsorganisationen geben. Die Stadt brauche eine Debatte, räumte er ein, die man aber zunehmend führe. Die Informationspolitik verteidigte Czaja jedoch: Die Ankunft von Flüchtlingen sei kaum planbar, Anwohner würden so früh wie möglich informiert.

Wegen Flüchtlingsheimen hatte es nicht nur mit Anwohnern, sondern auch mit den Bezirken viel Streit gegeben. Seit Czajas Amtsantritt 2011 blockierten einige Stadträte die Einrichtung von Heimen. „Inzwischen führen wir konstruktive Gespräche“, sagte Czaja. „Doch niemand kann sich zurücklehnen.“ Von einer ausgeglichenen Verteilung kann keine Rede sein: In Steglitz-Zehlendorf sind 2,4 Prozent der Flüchtlinge untergebracht, in Spandau 12,2 Prozent.

Immer wieder ist in den Bezirken und im Senat vor allem über Roma diskutiert worden, 25 000 sollen in der Stadt leben. Viele von ihnen sind keine Asylbewerber. Sie kommen aus den EU-Ländern Bulgarien und Rumänien und dürfen einreisen. Am Dienstag hatte der Senat als erstes Bundesland einen Aktionsplan verabschiedet. Demnach sollen unter anderem Roma-Kinder in speziellen Gruppen Deutsch lernen.

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