Abgeordnetenhauswahl: Berlin bleibt eine geteilte Stadt
Die beiden früheren Teile Berlins stimmen immer noch unterschiedlich ab. Während AfD und Linke im Osten erstarken, bleiben CDU und FDP schwach.
Berlin bleibt auch im 26. Jahr nach der Wiedervereinigung bei Wahlen eine gespaltene Stadt. Während die Linke in den westlichen Bezirken nach den vorliegenden Hochrechnungen auf 10,1 Prozent der Stimmen kommt, machten die Ost-Berliner sie wieder zur stärksten Partei. 23,3 Prozent gaben ihr ihre Stimmen.
Stärkste Kraft im Westen bleibt die SPD mit 23,4 Prozent, im Osten liegt sie nicht ganz weit entfernt bei 19,4 Prozent. Die CDU schaffte es damit auch im Westen nicht, an den Sozialdemokraten vorbeizuziehen. Sie konnte nur 21 Prozent erreichen. Im Osten dagegen war wohl auch der bisherige Sozialsenator Mario Czaja bezirksübergreifend kein Rennpferd für die Partei; sie liegt mit 13,2 Prozent der Stimmen fast gleichauf mit den Grünen, die auf 12,7 Prozent kommen. Im Westen dagegen schafften die Grünen 17,2 Prozent.
Auch der FDP gelang es nur durch ihr gutes Abschneiden im Westen, ins Abgeordnetenhaus zurückzukehren. In den westlichen Bezirken stimmten 8,5 Prozent für die Liberalen, die sicher auch von ihrer Kampagne für das Offenhalten des Flughafens Tegel profitiert haben. Im Osten hätten die Liberalen mit 4,0 Prozent den Einzug ins Parlament dagegen klar verpasst. Eine Diskrepanz gibt es auch beim Abschneiden der AfD. Sie kommt im Osten auf 16,8 Prozent und im Westen auf 11,8 Prozent.
Wahlforscher bei Henkel getäuscht
Vor fünf Jahren hatten Wahlforscher den Erfolg des damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), unter dem die Genossen stadtweit „nur“ rund zwei Prozentpunkte verloren hatten, unter anderem damit begründet, dass es ihm gelungen sei, Ost und West gut zusammenzuführen. Die Linkspartei, die 2011 hohe Verluste eingefahren hatte, habe er an den Rand drängen können. Damals waren viele frühere Stammwähler aber auch enttäuscht von der Arbeit der Linken im Senat, die zehn Jahre mit den Sozialdemokraten zusammen regiert hatte. Nach Ansicht der Wahlforscher von 2011 hatten die Wähler damals „das soziale Element, das sie von der Partei erwarten“, vermisst.
Jetzt konnte die Linke ihren Wahlkampf aus der Opposition heraus führen, was einfacher war. Allerdings war schon vor dem Wahltag ziemlich wahrscheinlich, dass die Linken auf die Regierungsbank zurückkehren werden. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat schon vor den Wahlen mit einem rot-rot-grünen Bündnis kokettiert. Dies scheint die Wähler im Osten dieses Mal nicht abgeschreckt zu haben.
Getäuscht haben sich die Wahlforscher bei CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel. Für ihn sei 2011 der Wahlkampf zu früh gekommen, waren sie überzeugt. Er werde bei der nächsten Wahl ein ernst zu nehmender Gegner sein, hatten sie angenommen. Er war es nicht – weder im Osten noch im Westen. Hier ist die Stadt vereint.
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