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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) will Vorbereitungen für steigende Flüchtlingszahlen treffen.
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Update

„Es ist mein Anspruch, dass wir besser vorbereitet sind“: Berlin bereitet sich auf mehr Flüchtlinge aus Afghanistan vor

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller rechnet mit steigenden Flüchtlingszahlen aus Afghanistan. Die Stadt müsse sich vorbereiten.

Angesichts der Entwicklungen in Afghanistan will sich Berlin auf eine deutliche Zunahme der Flüchtlingszahlen aus dem Land vorbereiten. „Ich habe den Senat aufgefordert, sich darauf vorzubereiten, dass wir auch in Berlin wieder mehr Menschen aus dieser Region erwarten werden und ihnen dann auch gut helfen können“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach der Senatssitzung am Dienstag.

Wenn die Menschen aus der Notsituation in Afghanistan fliehen, werde dies auch in Berlin Auswirkungen haben. „Nicht heute, nicht morgen, aber in den nächsten zwei oder drei Monaten“, sagte Müller.

Daher müsse sich nun um zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten, Fragen der Gesundheitsversorgung, Bildungsangebote sowie Sprachmittler gekümmert werden. „All das kann man im Vorfeld organisieren und es ist mein Anspruch, dass wir zumindest auf der Berliner Ebene besser vorbereitet sind.“ Aktuell gibt es in Berlin rund 1250 freie Plätze in Unterkünften für Flüchtlinge aus Afghanistan, wie das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) auf Nachfrage mitgeteilt hatte.

Müller verwies auf die Erfahrungen, die man in den Jahren 2015 und 2016 gesammelt habe, als auch in Berlin Tausende Flüchtlinge ankamen. „Ich weiß, dass nicht alles gut und sofort geklappt hat, aber wir haben unterm Strich sehr vielen gut geholfen.“

Mit Blick auf die Lage in Afghanistan sprach Müller von einer dramatischen Situation, die man so nirgends erwartet habe. „Es zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab. Es ist eine Situation nach 20 Jahren Krieg, für die man sich schämen muss.“

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Verwundert zeigte sich der Regierende Bürgermeister über bislang fehlende Planungen beim Bund zur Aufnahme von Flüchtlingen. Mit Erstaunen habe er zur Kenntnis genommen, dass es noch keinerlei Initiative vom Bund gebe, die jeweiligen Fachressorts anzusprechen und bundesweit zu einer Koordinierung zu kommen, etwa im Rahmen einer Innenministerkonferenz. „Offensichtlich ist da noch nichts vorbereitet. Umso dringlicher war es mir, dass wir uns vorbereiten“, sagte Müller.

Berlin wartet auf Entscheidung vom Bund

Nachdem sich die Situation in Afghanistan in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt hatte, hatte sich am Wochenende bereits Innensenator Andreas Geisel (SPD) zur Aufnahme von Ortskräften der Bundeswehr aus Afghanistan geäußert.

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Gemeinsam mit anderen Bundesländern würde die Stadt ein Kontingent von Flüchtlingen aufnehmen, „die sich in Afghanistan für den Aufbau der Demokratie eingesetzt haben“, sagte Geisel dem Tagesspiegel. „Wir brauchen dafür dringend Entscheidungen auf Bundesebene.“ Elke Breitenbach (Linke), Senatorin für Integration, forderte eine „humanitäre Hilfsaktion, an der sich Berlin selbstverständlich beteiligen wird“.

Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen für das Abgeordnetenhaus, forderte am Dienstagabend eine „Luftbrücke" nach Afghanistan. Der Bund müsse Menschen auch ohne Visum und ohne vorher bürokratische Fragen zu verhandeln, nach Deutschland holen. „Erst die Flucht. Den Rest klären wir, wenn die Menschen in Sicherheit sind."

Ortskräfte der Bundeswehr weiterhin in Gefahr

Marcus Grotian vom Patenschaftsnetzwerk afghanische Ortskräfte e.V. kritisiert hohe bürokratische Hürden für die Rettung von Ortskräften aus Afghanistan. Insgesamt seien 8000 Ortskräfte in dem Land gewesen, von denen bisher 1900 gerettet wurden.

Grottian sprach am Dienstagabend in der Landesgeschäftsstelle der Grünen von „Sammelablehnungen", weil zum Beispiel Hilfsanträge von ehemaligen Ortskräften ablehnt worden seien und die "politische Definition", wer eine Ortskraft sei, zu eng sei. Was ihm Hoffnung mache sei lediglich, dass Soldatinnen und Soldaten der Kampftruppe der Bundeswehr vor Ort in Afghanistan wären, um Ortskräften zu helfen.

Gortian sagte, er werde nicht vergessen, dass manche Politiker:innen in der Vergangenheit versprachen, "es werde immer geholfen, es sei immer jemand ansprechbar." Dies habe sich jetzt nicht bewahrheitet. Namen und politische Schuldige wollte Grotian nicht nennen.

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