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Hungriges Maul: Dieses Wildschwein war in Tegel auf Futtersuche.
© Gregor Fischer/dpa

Marzahn kauft schon Wildzäune: Berlin bereitet sich auf die Afrikanische Schweinepest vor

Zäune werden bestellt, Notfallpläne durchgespielt: Die Tierseuche nähert sich Berlin. Im Ernstfall gilt eine Sperrzone von 15 Kilometern – mitten in der Stadt.

Die Afrikanische Schweinepest rückt immer näher an Berlin heran. Vor wenigen Tagen wurden 22 infizierte Wildschweine in Polen unweit der Grenze zu Deutschland gefunden. Nun bereiten sich die Berliner Außenbezirke auf die drohende Seuche vor. „Die Afrikanische Schweinepest steht wohl 80 bis 100 Kilometer vor Berlin“, berichtet Nadja Zivkovic (CDU), die Ordnungsstadträtin von Marzahn-Hellersdorf – dem Polen am nächsten gelegenen Bezirk.

Wenn ein verendetes Wildschwein gefunden werde, das den Erreger in sich trägt, müsse der Bezirk in einem Radius von eineinhalb Kilometern um die Fundstelle einen Zaun aufstellen, sagt Zivkovic. Auch Fußgänger dürften diesen Bereich normalerweise nicht betreten. In einem Umkreis von 15 Kilometern müsse zudem durch Beschilderung eine Sperrzone eingerichtet werden.

In Marzahn-Hellersdorf werden deshalb entsprechende Vorkehrungen getroffen. Am Dienstag etwa war die Pest Thema in der Sitzung des Bezirksamts. „Wir haben heute veranlasst, dass wir einen Zaun kaufen“, berichtete Zivkovic am Abend. Rund neun Kilometer brauche man. Der Bezirk befürchtet steigende Preise.

Denn wenn sich die Schweinepest weiter nähert, müssen auch andere Randbezirke wie Treptow-Köpenick und Pankow nachziehen. Zudem sollen 100 Meter Bauzaun für Marzahn-Hellersdorf geordert werden – falls gesonderte Absperrungen für Straßen erforderlich sind.

Anderthalb Kilometer Einzäunung, 15 Kilometer Sperrzone, womöglich mitten durch Einfamilienhaussiedlungen wie Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf – wie soll das gehen? „Das habe ich mich auch gefragt – ob wir die Bevölkerung umsiedeln müssen“, sagt Zivkovic. „Aber das müssen wir natürlich nicht. Die Menschen können da wohnen bleiben.“ Möglicherweise müssten am Zaun Schleusen eingerichtet werden, im weiteren Umkreis wären Kontrollen nötig.

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Wie das alles organisiert werden soll, weiß auch die Stadträtin nicht so genau. „Wir betreten da Neuland“, sagt sie. „So eine Tierseuche ist in einer Großstadt noch nicht ausgebrochen.“ Sie betont, dass von der Seuche keine Gefahr für Menschen ausgehe, die kranken Tiere verhielten sich auch nicht aggressiv. Allerdings gilt der Mensch als Hauptverbreiter des Erregers, etwa durch das Füttern von Wildschweinen, durch weggeworfene Essensreste oder durch privat eingeführte tierische Erzeugnisse aus Ländern, in denen die Schweinepest verbreitet ist. In der Folge besteht die Gefahr, dass sich die Seuche rasant ausbreitet – für Landwirte mit Schweinezucht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko.

Die Weihnachtsfeiertage könnten zum Problem werden

Etwa 400 Wildschweine gebe es in Marzahn-Hellersdorf, sagt die Stadträtin, dazu ein paar Minischweine als Haustiere und Wollschweine bei der Hellen Tierarche in Hellersdorf, die sich der Erhaltung bedrohter Arten verschrieben hat. Die Jagdquote für Wildschweine sei inzwischen erhöht worden, berichtet sie, genauso wie die Abschussprämie. Pro erlegtem Tier gibt es jetzt 100 Euro vom Staat für die sechs Stadtjäger, die in Berlin Schweine schießen dürfen.

Weggeworfene Essensreste und offene Kompostieranlagen begünstigten die Ausbreitung, erklärt Zivkovic. Der Bezirk will deshalb Infozettel aushängen und ein Krisenzimmer einrichten. Die Weihnachtsfeiertage könnten zum Problem werden: Binnen vier Stunden muss im Notfall das Krisenzimmer besetzt sein. „Was tun, wenn man gerade weit entfernt bei der Schwiegermutter zu Besuch ist?“

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Für all das gibt es inzwischen Notfallpläne. Vor allem der Stadtrand – von Hellersdorf bis Wannsee, von Köpenick bis Spandau – muss sich vorbereiten. Einige Bezirksämter bitten auf ihren Webseiten darum, Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um eine Verschleppung der Seuche zu verhindern.

Konkretere Maßnahmen sind bislang nicht bekannt. Es habe allerdings schon einige Abstimmungen unter den Stadträten gegeben. „Ich beschäftige mich seit Anfang des Jahres mit dem Thema“, sagt Zivkovic. Nur vom Berliner Senat kam aus ihrer Sicht wenig Unterstützung.

Amtstierärzte führten Notfallübung durch

Die Senatsverwaltung hält dagegen, die Bezirke seien für die konkrete Tierseuchenbekämpfung zuständig. Die Senatsverwaltung selbst stehe mit dem Land Brandenburg hinsichtlich der Tierseuche in engem Kontakt. Primär gehe es dabei um Informationsaustausch und die fachliche Bewertung der Situation. Die zuständigen Bezirke sowie die Jagdbehörden würden jeweils zeitnah und umfassend über die Ergebnisse sowie die aktuelle Lage informiert. Im regelmäßigen Austausch mit den Bezirken würden Handlungsempfehlungen auch an die Forstbehörden weitergegeben, lässt die Senatsverwaltung verlauten.

Offenbar ist das Land Berlin im Notfall aber auch direkt in die Informationskette involviert. Immerhin hätten die Amtstierärzte der Bezirke vor drei Wochen schon einmal bei einer Übung die Notfallpläne überprüft. Dabei gehe es auch darum, die telefonische Alarmierung durchzuspielen, erläutert Zivkovic. „Die Senatsverwaltung war nie erreichbar.“

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