Stadtplanung unter Rot-Rot-Grün: Berlin baut auf neue Wolkenkratzer
Die Fraktionen von Rot-Rot-Grün in Berlin wollen einen Plan für den Bau von Hochhäusern. Fest steht, dass der Alexanderplatz als Standort dazu gehört.
Berlins rot-rot-grüner Senat soll gemeinsam mit den Bezirken festlegen, an welchen Standorten in der Hauptstadt neue Hochhäuser gebaut werden dürfen. Die Koalitionsfraktionen SPD, Linke und Grüne fordern dies in einem Parlamentsantrag, der vom sozialdemokratischen Abgeordneten Daniel Buchholz initiiert wurde. Nur mit einem solchen Hochhausentwicklungsplan ließe sich "städtebaulicher und architektonischer Wildwuchs" vermeiden, sagte Buchholz dem Tagesspiegel.
Bei der Ansiedlung von Hochhäusern, in denen Menschen nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen, seien viele Fragen zu beachten, so der SPD-Mann. Die Anbindung an Straßen und den öffentlichen Nahverkehr müsse ebenso mitgedacht werden wie die Anbindung an Kitas, Schulen und soziale Einrichtungen. Und aus ökologischer Sicht gehe es darum, Ausgleichsmaßnahmen für Grünflächen und Bäume festzulegen. Wichtig sei auch, wie sich das gewachsene Stadtbild durch ein Hochhaus verändere, deren Tag- und Nachtwirkung (Verschattung bzw. Beleuchtung) müsse beachtet werden. Buchholz plädiert auch dafür, die Erdgeschosse von Hochhäusern "offen und erlebbar" zu gestalten, und die Obergeschosse sollten als Aussichtsplattformen zugänglich gemacht werden.
"Alex ist auserkorener Hochhausstandort"
Dass sich der geforderte Entwicklungsplan, den der Senat zügig vorlegen soll, gegen den Standort Alexanderplatz richten könnte, weist Buchholz zurück. "Das ist doch ein auserkorener Hochhausstandort." Und dabei werde es sicher auch bleiben. Der Antrag, den die Koalitionsfraktionen in Kürze im Abgeordnetenhaus einbringen wollen, hat einen anderen Hintergrund. "Die große Attraktivität Berlins führt zu einem hohen Nachfragedruck auf bebaubare Flächen in Berlin", steht in der Begründung des Antrags. Ein durch die ökonomische Nachfrage geprägter Wildwuchs von Hochhäusern müsse aber vermieden werden.
Die Bezirke solllen mitreden
Die neue Leitplanung soll "in enger Zusammenarbeit mit den Bezirken" entwickelt werden. Sie wird dann Grundlage einzelner Bebauungspläne für neue Hochhausstandorte, die in der Regel von den Bauämtern der Bezirke erarbeitet werden. Im Koalitionsvertrag steht noch ein Satz, der im Antrag der Regierungsfraktionen fehlt: "Die Zahl von Hochhausstandorten soll beschränkt werden." Offenbar will man erst einmal herausfinden, wo überall in Berlin noch stadt- und menschenverträgliche Standorte für Hochhäuser zu finden sind. In den Richtlinien zur Regierungspolitik hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) das Thema ebenfalls erwähnt.
Fast 20 Hochhäuser sind in Planung
In Berlin sind derzeit 19 Hochhausprojekte konkret in Planung, davon zwei am Alexanderplatz. An der Ecke Gruner-/Alexanderstraße soll ein 39-geschossiger Wohnturm entstehen. Bauherr ist der russische Investor Monarch, die Baugenehmigung wurde im vergangenen Jahr beantragt. Der US-Konzern Hines will hinter dem Einkaufszentrum "Die Mitte" ein Wohnhochhaus errichten, aber das Projekt verzögert sich. Nicht aus politischen Gründen, sondern wegen des schwierigen Baugrunds, und nebenan läuft die U-Bahn-Linie 5 vorbei.
Die Diskussion über eine neue Skyline Berlins ist nicht neu, auch wenn sie jetzt neue Fahrt aufnimmt. Seit Anfang der 1990er Jahre wird darüber diskutiert. Der damalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, den Bau von Hochhäusern auf den Potsdamer Platz, die City-West und die City-Ost zu konzentrieren. Ein verbindliches Konzept war das nicht. Die Amtsnachfolgerin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hielt trotz der wachsenden Nachfrage von Investoren einen Hochhausentwicklungsplan für entbehrlich. Rechtlich unverbindliche "Grundsätze" hätten ihr ausgereicht. Aber auch diese kamen nicht zustande.
Linke mahnte mehr Bürgerbeteilung am Alex an
Erst 2015 wurde ein Hochhausentwicklungsplan konkret gefordert. Zuerst von der heutigen Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek und der ehemaligen Stadtentwicklungsexpertin der SPD, Ellen Haußdörfer. Auch die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher signalisierte vor zwei Jahren, dass sie einer solchen Planung "offen gegenüber" stehe. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat sich noch nicht positioniert, doch ihrer Fraktion wird sie voraussichtlich nicht widersprechen. Lompscher galt bisher als kritische Begleiterin des Masterplans für den Alexanderplatz, den sie nicht grundsätzlich ablehnt, für den sie aber schon in Oppositionszeiten vor allem mehr Bürgerbeteiligung anmahnte.
Frankfurt am Main hat seit 60 Jahren einen Hochhausplan
In Frankfurt am Main wurde schon 1953 der erste Hochhausplan entwickelt. Das sieht man der Stadt auch an. Der Münchener Stadtrat beschloss 1995 den ersten Plan dieser Art für die bayerische Landeshauptstadt. In Köln wird aktuell darüber diskutiert – und jetzt in Berlin, obwohl die deutsche Hauptstadt bisher kein Ort der Wolkenkratzer ist. Auch das Wohnen im Turm ist an der Spree noch die seltene Ausnahme. So sollen in Berlin bis 2018 etwa 2700 Hochhauswohnungen entstehen, im deutlich kleineren Frankfurt am Main sind es 2400.
Am Hotel Estrel in Neukölln geht's hoch her
Dass die wachsende Stadt auch zu wachsenden Häusern führt, spricht sich jedoch allmählich auch in den politischen Kreisen herum. In der neuen Wahlperiode werden in Berlin die ersten echten Wolkenkratzer (ab 150 Meter) entstehen: am Alex und in Neukölln, wo das Hotel- und Kongresszentrum Estrel durch einen 176 Meter hohen Neubau bereichert wird.