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Martin Delius, Flughafen-Chefaufklärer, am Freitag.
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Update

Flughafen-Debakel: BER-Untersuchungsausschuss startet mit ersten Meinungsverschiedenheiten

Der Untersuchungsausschuss zum BER-Desaster hat mit seiner Aufklärungsarbeit begonnen. Gleich zu Beginn haben die Regierungsfraktionen einen Antrag abgelehnt, der der Opposition die Arbeit erleichtert hätte. Einen weiteren Vorschlag von Martin Delius, Pirat und Ausschussvorsitzender, tat die Konkurrenz als Klamauk ab.

Am Freitag hat der Flughafen-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses seine Arbeit aufgenommen - und gleich zu Beginn gab es die ersten Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungskoalition und Opposition. So lehnte die SPD-CDU-Mehrheit eine Regelung ab, nach der auch stellvertretende Ausschussmitglieder Rede- und Fragerecht haben. Nach Ansicht der Opposition hätte das die Arbeit gerade der kleineren Fraktionen erleichtert, die wie Piraten und Linke nur jeweils ein vollwertiges Mitglied in den Ausschuss entsenden. Politische Seitenhiebe der Opposition in Richtung Koalition gab es, als der SPD-Abgeordnete Ole Kreins einen Antrag stellte, die zweiwöchentlichen Ausschusssitzungen stets um 13 Uhr zu beenden, um damit einem vermeintlichen Medieninteresse entgegenzukommen. „Nicht maximale Öffentlichkeitsarbeit, sondern maximale Wahrheit sollte unser Ziel sein“, hielt ihm da Ausschuss-Chef Delius vor.

Einhellig lehnten sowohl Koalitions- als auch Oppositionsvertreter ein Ansinnen des Senats ab: Der hatte einen ständigen Beobachter der Sitzungen etablieren wollen, und zwar den in der Senatskanzlei für den Flughafen zuständigen Referatsleiter. Das wiesen die Ausschussmitglieder teils empört zurück, da der Senat Akteur des Flughafen-Debakels sei und seine Vertreter als Zeugen eingeplant seien. Der ungewöhnlichste Vorstoß des ersten Sitzungstages kam dann gegen Ende des formalen Teils vom Ausschussvorsitzenden: Delius schlug vor, die bisher in Ausschüssen übliche Sitzordnung nach Fraktionen aufzulösen, so dass jeder Abgeordnete sich hinsetzen könne, wo er oder sie es wolle - mit dem Hintergedanken, auf diese Weise den Austausch auch über Fraktionsgrenzen hinweg zu befördern und die Abgeordneten an ihre Gewissensfreiheit zu erinnern. Der Antrag, den der CDU-Abgeordnete Stefan Evers als „Klamauk“ abtat, wurde dann aber von allen Fraktionen mit Ausnahme der Piraten abgelehnt.

Das Gremium will das Planungschaos am Flughafen, das Missmanagement, die Probleme mit der Brandschutzanlage, vor allem die Gründe für die mehrfach verschobene Eröffnung und die gestiegenen Kosten aufklären. Die zentrale Frage dabei ist, wer die Verantwortung dafür trägt. Delius rechnet damit, dass der Ausschuss Zeit benötigt bis Ende 2013, möglicherweise bis 2014.

Neben einer Analyse der Fehler der Vergangenheit soll nach der Vorstellung des Ausschuss-Vorsitzenden Delius auch das öffentliche Vertrauen in das Flughafenprojekt und in die Politik wiederhergestellt werden: „Wer glaubt noch, dass ein großes Projekt in dieser Stadt erfolgreich ist, weil es zur Chefsache erklärt wird?“ An seine Ausschussmitglieder appellierte er, Parteipolitik dürfe „nicht wichtiger als die Aufklärung“ sein.

Wie wird der Ausschuss arbeiten?

Pirat Martin Delius beim Startschuss für den Untersuchungsausschuss.
Pirat Martin Delius beim Startschuss für den Untersuchungsausschuss.
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Der Ausschuss soll alle zwei Wochen tagen, am Anfang steht ein Besuch auf der BER-Baustelle. In der Vergangenheit versuchten solche Gremien in Berlin den Bankenskandal und die Bau-Affäre um Tempodrom und Spreedreieck aufzuklären. Der BER-Ausschuss hat damit zu kämpfen, dass ein Großteil der Unterlagen vor allem des Aufsichtsrates von Senatskanzlei und Flughafengesellschaft als vertraulich und geheimhaltungsbedürftig deklariert hat, die Dokumente zwar eingesehen, aber nicht in öffentlicher Sitzung behandelt werden können.

Für die Flughafengesellschaft ist schon vor der ersten Sitzung klar: Verantwortlich sind die Architekten der Planungsgemeinschaft PG BBI um die Büros gmp und ISK sowie der vor dem Desaster für den Flughafen-Ausbau zuständige Geschäftsführer Manfred Körtgen. Er und die Architekten als Generalplaner wurden bereits geschasst; gegen die Architekten hat die Flughafengesellschaft eine Klage eingereicht; gespickt mit Vorwürfen, dass diese ihre Aufgaben nicht erfüllt hätten. Und zwar schon seit Jahren.

Der Ausschuss wird klären müssen, warum weder der weiter amtierende Sprecher der Geschäftsführung, Rainer Schwarz, noch der Aufsichtsrat unter dem Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) dieses „Versagen auf ganzer Linie“ nicht früher erkannt – und Konsequenzen gezogen – haben. Die Pläne, auch zur Entrauchungsanlage, wurden immer gebilligt. Unstrittig ist, dass es viele von der Flughafengesellschaft gewünschte Veränderungen gegeben hat, die zu Zeitverzug und Kostensteigerungen geführt haben. So wurde die Position der Andockbrücke für das Großraumflugzeug A 380 nachträglich verändert, was nach Angaben von Insidern die Planung durcheinanderbrachte. Die Flughafengesellschaft dementiert dies. Ob der Ausschuss hier weiterkommt, wird sich zeigen. Vielleicht sind aber auch schon vorher die Richter am Landgericht in Potsdam so weit, die die Klage der Flughafengesellschaft gegen die Planungsgemeinschaft verhandeln müssen.

Allerdings hat sich die Flughafengesellschaft mit dem Rausschmiss der Planungsgemeinschaft selbst behindert und den nach der geplatzten Eröffnung vom Aufsichtsrat genannten Starttermin am 17. März 2013 unmöglich gemacht. Das geht aus einem internen „Sachstandsbericht BER“ hervor. Der Grund dafür, dass auch dieser Termin nicht zu halten war, ist demnach die Kündigung der Planungsgemeinschaft. „Es bestand kein vitaler Projektprozess mehr“, heißt es in dem Papier. Auch eine „belastbare Terminplanung“ sei nicht vorhanden gewesen.

Die für Juni geplante BER-Eröffnung war Anfang Mai geplatzt. Der Flughafen soll jetzt am 27. Oktober 2013 eröffnet werden. Die Baukosten sind von geplanten 2,4 Milliarden Euro auf rund 4,3 Milliarden Euro gestiegen. Zuletzt mussten die drei Gesellschaft – Berlin, Brandenburg und der Bund – 1,2 Milliarden Euro als Finanzspritze in BER pumpen.

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