zum Hauptinhalt
Hubertus Knabe, der ehemalige Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen.
© Mike Wolff

Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen: Beiratsmitglieder treten aus Protest gegen Knabe-Rauswurf zurück

Der Fall Hubertus Knabe schlägt neue Wellen: Drei Frauen sind aus Protest zurückgetreten. Sie hatten den Rauswurf von Knabe zuvor in einem gemeinsamen Brief kritisiert.

Drei Mitglieder des 14-köpfigen Stiftungsbeirats der Stasi-Opfergedenkstätte haben aus Protest gegen die Entlassung des bisherigen Direktors Hubertus Knabe ihren Rücktritt erklärt. Die Publizistin und DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier, die frühere DDR-Oppositionelle Heidi Bohley und die Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig legen ihr Mandat im Stiftungsbeirat nieder. 

In einem gemeinsamen Brief hatten sie in der vergangenen Woche bereits Knabes Entlassung als „Strafaktion“ wegen Knabes „politischer Unangepasstheit“ kritisiert. Die vierte Unterzeichnerin des ersten Schreibens, die Ex-Moderatorin Edda Schönherz, hat sich nicht an der auf Dienstag datierten Rücktrittserklärung beteiligt.

Klier, Bohley und Zehnpfennig begründen ihren Rücktritt in einem zweitseitigen Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, in vier Punkten. Dem Vorsitzenden des Beirats Dieter Dombrowski (CDU), Vorsitzender des Opferverbandes UOKG und Vize-Präsident des Landtags Brandenburg, der auch im Stiftungsrat sitzt, werfen die drei Unterzeichnerinnen Amtsanmaßung vor. Als weitere Gründe führen sie an: „Vorenthalten von Informationen“, „undurchschaubaren Strukturen“ und „verlorenes Vertrauen“ Dombrowski wies die erhobenen Vorwürfe zurück. 

Dombrowski widersprach den Vorwürfen

Klier, Bohley und Zehnpfennig erklärten, die auf Donnerstag angesetzte Beiratssitzung samt von ihnen beantragter Aussprache mit Knabe sei von Dombrowski verhindert und die Sitzung eigenmächtig auf den 19. Oktober verschoben zu haben. Eine Diskussion über Knabe sei „aktiv unterbunden“ worden. 

Dombrowski widersprach den Vorwürfen. Nachdem der Stiftungsrat vor zwei Wochen Knabe nach einstimmigen Beschluss beurlaubt und gekündigt hatte, habe er die Sitzung des Beirats tatsächlich verschoben. Als Grund führte Dombrowski an, dass die vom Stiftungsrat als Vertrauensperson eingesetzte Marianne Birthler, einst Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, an der Beiratssitzung teilnehmen soll. Darüber seien die Beiratsmitglieder auch informiert und Einvernehmen hergestellt worden. 

Auch habe er die Debatte mit und über Knabe nicht unterbunden, erklärte Dombrowski. Knabe sei aber freigestellt und aktuell als Direktor der Gedenkstätte und als Vorstand der Stiftung nicht im Amt. Falls der Beirat Knabe anhören wolle, könne der Beirat dies allerdings auf der bevorstehenden Sitzung auch beschließen. 

Ferner sei der Beirat nur beratend tätig - und das in inhaltlichen und gestalterischen Fragen, aber nicht in Personalangelegenheiten, sagte Dombrowski. Genau diese Regelung, obwohl klar nachlesbar in Gesetz und Satzung, zweifeln Klier, Bohley und Zehnpfennig an.

Auf die Sexismusvorwürfe gehen die Frauen nicht ein

Dombrowski hingegen bekräftigte: Personalien seien nicht Aufgabe des Beirats. Daher geht laut Dombrowski auch der zweite Vorwurf fehl. Dem Beirat seien im Vorfeld der Entlassung von Knabe keine Informationen vorenthalten worden - weil Personalfragen dort nicht hingehörten. Zudem könnte die zurückgetretenen Beiratsmitglieder sicherlich Knabe selbst fragen, warum er seit Bekanntwerden der ersten Belästigungsvorwürfe gegen die bisherigen Vize-Direktor Helmuth Frauendorfer im Jahr 2016 nie darüber den Beirat informiert habe - auch nicht über die Reaktionen und Anordnungen der Senatskulturverwaltung, erklärte Dombrowski.

Bemerkenswert an dem Rücktrittsschreiben von Klier, Bohley und Zehnpfennig ist auch ein politischer Vorwurf, der bereits von anderen Seiten erhoben worden ist, aber von Lederer, vor allem aber von Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) entschieden zugewiesen worden ist. Mutmaßungen, hinter der Kündigung Knabe stünden parteipolitische oder ideologische Erwägungen, entbehrten jeder Grundlage, hatte Grütters erklärt.

Doch Klier, Bohley und Zehnpfennig, halten an ihrem Verdacht fest: Sie hätte das Vertrauen in Dombrowski verloren, denn ihnen sei unklar, „wessen Interessen er eigentlich vertritt“. Die drei Unterzeichnerinnen sehen einen Zusammenhang mit Dombrowskis Äußerung, die CDU müsse nach der Landtagswahl 2019 in Brandenburg auch mit der Linken Gespräche führen, und mit seiner Zusammenarbeit mit Kultursenator und Linke-Politiker Lederer beim Rausschmiss von Knabe, „des schärfsten Kritikers eines solchen Zusammengehens“ von CDU und Linke, der „nachweislich immer für die Interessen der DDR-Opfer eingetreten ist“.  

Auf die Sexismusvorwürfe selbst und Knabes Versagen in dem Fall gehen Klier, Bohley und Zehnpfennig nicht ein, auch nicht daranf, dass die Seximus-Vorwürfe nach Ansicht des Stiftungsrates stichhaltig sind. Intern hat eine der drei aus dem Beirat zurückgetretenen Verfasserinnen sogar erklärt, bei Kindesmissbrauch sei eine sofortige Entlassung möglicherweise angebracht, hier gehe es aber nur um fragwürdiges Flirtverhalten unter Erwachsenen.

Knabe ist vor zwei Wochen beurlaubt worden, seine Entlassung durch den Stiftungsrat wird zum 31. März 2019 wirksam. Das Gremium hatte ihm infolge von Sexismusvorwürfen gegen den Vize-Direktor Frauendorfer einstimmig das Vertrauen entzogen, den dringend nötigen Kulturwandel in der Gedenkstätte einzuleiten oder glaubhaft vertreten zu können. Frauendorfer soll über Jahre Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben – und hat Fehlverhalten eingeräumt.

Es geht kaum noch um die Erfahrungen der Frauen

In einem Brief vom Juni an Lederer und Grütters hatten sechs frühere Mitarbeiterinnen „eine Regelhaftigkeit übergriffiger Verhaltensmuster“, ein „Frauenbild der 50er Jahre“ und „strukturellen Sexismus“ in der Gedenkstätte beklagt. Frauendorfer soll sie mit nächtlichen SMS und Berichten über seine Besuche im Bordell oder im Swingerclub belästigt haben - und ihnen auch körperlich zu nahe gekommen sein. Im Auftrag von Lederer und Grütters hat eine Anwältin die Vorfälle geprüft, die sechs Verfasserinnen des Briefes und weitere Frauen, aber auch Frauendorfer angehört. Das Ergebnis: Die Vorwürfe seien "substanziiert".

Knabe hat nach Ansicht des Stiftungsrates die Missstände über Jahre nicht nur geduldet, sondern sogar befördert. Er sei seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen. Knabe war erstmals 2016 über Belästigungsvorwürfe informiert worden, die Kulturverwaltung zog mehrfach Volontärinnen ab. Knabe hat laut Verwaltung Anweisungen und Bitten, um weitere Vorfälle zu verhindern, nicht befolgt. Auch gegen den bisherigen Direktor selbst sind Belästigungsvorwürfe laut geworden. 

Knabe lässt zwar Anfragen des Tagesspiegel unbeantwortet, hat aber am Dienstag eine vage Erklärung abgegeben. Darin beklagte er die Berichterstattung über den Fall, weil sie „das Anliegen der Aufarbeitung der SED-Diktatur insgesamt“ beschädige. Den Vorwurf, in der Gedenkstätte habe ein „Klima der Angst und des Mobbings geherrscht“, sei falsch. Er habe seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „immer fair und respektvoll behandelt“.

Auch die sechs Frauen, die im Juni den ersten Brief zu den Zuständen an der Gedenkstätte verfasst hatten, meldeten sich zu Wort. In dem Brief an den Stiftungsrat kritisieren sie, die öffentliche Diskussion sei „in eine bedenkliche Schieflage“ geraten. "Es geht kaum noch um die Erfahrungen der betroffenen Frauen und die Frage nach dem Umgang mit Machtverhältnissen."  Politiker, Beiratsmitglieder und Journalisten würden das Verhalten von Vorgesetzten - „Belästigungen und Grenzüberschreitungen“ - an der Gedenkstätte ausblenden. Das befördere eine „Kultur des Wegschauens, des Deckens und der Verharmlosung dieser Vorgänge und des stillschweigenden Akzeptierens“. 

Zur Startseite