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Ein Blick auf die Baustelle.
© Julian Stähle/dpa

Stromausfall in Berlin-Köpenick: Baufirma soll grob regelwidrig gehandelt haben

Schwerer Vorwurf von Vattenfall: Das Unternehmen, das die Stromkabel an der Allende-Brücke zerstört hat, informierte sich offenbar nicht über deren Lage.

Es war ein Treffer an der denkbar kritischsten Stelle: Um 14.07 Uhr am Dienstag hat eine Baufirma an der Salvador-Allende-Brücke bei einer waagerechten Bohrung im Erdreich zunächst ein 110.000-Volt-Kabel durchbohrt - und zwar alle drei Einzeldrähte, jeder 15 Zentimeter dick. Das fiel zunächst nicht auf, sodass die Firma weiterbohrte und um 14.10 Uhr auch die drei Drähte eines daneben liegenden Kabels zerstörte. Danach wurde es dunkel in weiten Teilen von Köpenick.

Jürgen Schunk schildert diesen Ablauf bei der - schon vor Wochen geplanten - Jahrespressekonferenz der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin am Mittwochmorgen. Schunk leitet den Krisenstab des Stromversorgers; sein Auftritt ist aus gegebenem Anlass ins Programm genommen worden.

Der Schaden wurde demnach an der aufgegrabenen nordöstlichen Zufahrtsrampe der wegen akuter Baufälligkeit seit etwa zwei Wochen gesperrten Allende-Brücke angerichtet. Nachdem das Ausmaß der Havarie klar war, machten sich zwei Reparaturtrupps von Vattenfall an die Arbeit. Bis 23 Uhr habe es gedauert, das etwa kleinlastergroße Loch für die Reparatur auszuheben. Seit Mitternacht würden die Kabel repariert: Um jedes werde eine große Muffe gesetzt; was nach üblicher Faustregel sechs Stunden pro Stück dauere.

Dank der großen Reparaturmannschaft wolle man aber am Mittwoch um 15 Uhr fertig sein. "Das ist aber auch sportlich", sagt Stromnetz-Geschäftsführer Thomas Schäfer.

Schäfer ist selbst Techniker. Bei früheren Presseterminen hat er mehrfach das Berliner Stromnetz für seine Sicherheit gerühmt: Es ist vereinfacht gesagt aus vielen Ringen aufgebaut, sodass Techniker im Fall eines Kabelschadens schnell eine Umleitung schalten können. Aber der Bohrer an der Allende-Brücke traf keinen solchen lokalen Ring, sondern eine Hauptschlagader: Von den mehr als 35.000 Kabelkilometern im Berliner Boden seien nur rund 700 Kilometer von dieser Dimension.

Firma hat sich nicht nach Lage der Leitungen erkundigt

Dass die Baufirma grob regelwidrig gearbeitet hat, steht für die Vattenfall-Leute außer Frage: "Die Firma hat bei uns keine Trassenauskunft eingeholt", sagt Schunk. Diese Trassenauskunft über die Lage von Leitungen aller Art sei absoluter Standard. Die Infrastrukturbetreiber von Gas-, Wasser- und Stromnetzen haben schon vor Jahren ein Portal namens "Infrest" aufgebaut, um Firmen den Zugang zu den Daten zu erleichtern und derartige Havarien zu verhindern. Brücken sind auch deshalb neuralgische Punkte, weil dort besonders viele Leitungen gebündelt sind.

In diesem Fall auch jene Kabel, die normalerweise in mehr als 1,5 Meter Tiefe verlaufen. An der Allende-Brücke wird unter besonderem Zeitdruck gearbeitet, weil ihre plötzlich notwendig gewordene Sperrung Köpenick an den Rand des Verkehrsinfarkts gebracht hat. Die andere Hälfte der in den 1970er-Jahren errichteten Spreequerung ist bereits abgerissen worden und wird neu gebaut.

Die Schäden durch den Stromausfall dürften in die Millionen gehen. Vattenfall reiche eingehende Forderungen weiter - und wird wohl auch selbst welche erheben. Für die Baufirma dürften die Forderungen - je nachdem, ob und wie sie versichert ist - an die Existenz gehen. Laut Stromnetz-Chef Schäfer ist der Stromausfall "nicht nur der längste, sondern auch der größte", den Berlin in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat.

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