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Am 13. März mussten Bars, Clubs und Kneipen komplett schließen.
© imago/Christian Ditsch

„Kopflos wie unverhältnismäßig“: Bars klagen gegen die Sperrstunde in Berlin

Mehrere Wirte gehen gerichtlich gegen die verschärften Corona-Maßnahmen vor. Auch die Clubcommission kritisiert die Sperrstunde – und fordert Schnelltests.

Mehrere Berliner Wirte leisten Widerstand gegen die ab Sonnabend beginnende Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr. Rechtsanwalt Niko Härting teilte mit, seine Kanzlei habe für sechs Bars Eilanträge beim Verwaltungsgericht gegen die Regelung in der neuen Verordnung eingereicht mit dem Ziel, die Sperrstundenregelung außer Vollzug zu setzen.

Das Gericht bestätigte dies. Die Anträge seien Donnerstag nach 23 Uhr eingegangen. Da sie sehr umfangreich seien – mit Anlagen 124 Seiten –, sah sich das Gericht nicht in der Lage, noch am Freitag zu entscheiden. Es forderte den Senat auf, bis Montag 11 Uhr Stellung zu nehmen

Härting vertritt unter anderem die Gastronomen der Kneipen „Klo“, „Bar am Ufer“ (Neukölln), „Betty F“ (Mitte) und „Aseven“ (Alexanderplatz). Er hat vor dem Landgericht auch Klagen auf Entschädigung eingereicht, wie berichtet etwa für den Wirt des „Klo“.

Weshalb die Sperrstunde für die Gastronomie gelten solle, sei nicht ersichtlich, meint Härting. In seinem Eilantrag argumentiert er: „Theater und Veranstaltungsstätten, Fitnessstudios, Saunen und Bordelle bleiben offen, ohne dass es dort Sperrstunden gibt.“ Das sei nicht nachvollziehbar:

„Die Sperrstunde ist ebenso kopflos wie unverhältnismäßig“, so Härting. Außerdem werde sich, wenn legale Treffpunkte geschlossen würden, die Szene einfach woandershin verlagern.

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Der Senat hatte am vergangenen Dienstag vor dem Hintergrund der gestiegenen Infektionszahlen beschlossen, dass Restaurants, Bars, Kneipen und die meisten Geschäfte künftig zwischen 23 und 6 Uhr geschlossen sein müssen.

Die neue Corona-Eindämmungsmaßnahmenverordnung tritt am 10. Oktober 2020 in Kraft. Tankstellen dürfen in dem Zeitraum zwar offen bleiben, aber nachts keinen Alkohol verkaufen.

Clubcommission nennt Regeln kontraproduktiv

Auch die Berliner Clubs haben die vom Senat beschlossene Sperrstunde als falsch und möglicherweise kontraproduktiv kritisiert. Die Maßnahme könnte sogar zu einer Verschärfung der Lage führen, da sich bei zeitgleicher Schließung aller Bars, Restaurants und Clubs Menschenansammlungen bilden könnten, die sich dann „gegebenenfalls in Gruppen an nicht-konzessionierte Orte verlagern“, warnte der Dachverband Clubcommission am Freitag. „Ordnungsbehörden werden große Schwierigkeiten haben, die Hygieneregeln in Privatwohnungen oder in den über 2500 Parks und Gärten der Stadt zu kontrollieren.“

Veranstalter hätten sich "fast ausnahmslos verantwortungsvoll verhalten"

Auch vor dem Hintergrund der Erkenntnisse zu den Infektionsherden in den vergangenen Wochen, etwa private Veranstaltungen wie Hochzeiten, sei die Sperrstunde die falsche Maßnahme - „Symbolpolitik“, sagte Sprecher Lutz Leichsenring vom Dachverband Clubcommission. Clubs und Veranstalter hätten sich in den vergangenen Wochen und Monaten „fast ausnahmslos verantwortungsvoll verhalten“. Von der Senatsgesundheitsverwaltung fühle man sich nicht als Partner auf Augenhöhe behandelt, sagte Leichsenring. Die Pandemie sei aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Clubcommission ist für Schnelltests

Der Verband schlägt vor, in den nächsten Tagen Schnelltest-Bereiche vor Clubs einzurichten. Dort sollen Gäste freiwillig, auf eigene Kosten und unter Aufsicht „von angelerntem medizinischen Personal“ einen Corona-Schnelltest machen können. Die Clubs wollten so dazu beitragen, die Virusausbreitung in der jungen Zielgruppe weiter einzudämmen. Die Hygieneregeln sollen bei Veranstaltungen trotzdem gelten. 

Auf Schnelltests ruhen derzeit in vielen Bereichen Hoffnungen, etwa um Besuche in Pflegeheimen weniger riskant zu machen. Die Ergebnisse sind Experten zufolge allerdings nicht ganz so genau wie der bisher verbreitete Labortest. (mit dpa)

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