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Um 19.06 Uhr ging am Brandenburger Tor das Licht aus.
© dpa

Demonstration in Berlin-Mitte blockiert: „Bärgida“ tritt auf der Stelle

Gegendemonstranten haben am Montagabend den Zug des Berliner Ablegers der Anti-Islam-Bewegung "Pegida" zum Brandenburger Tor verhindert. Den 400 "Bärgida"-Anhängern standen insgesamt etwa 6000 Gegner gegenüber.

Um 19.06 Uhr gingen am Brandenburger Tor die Lichter aus. Den Tag über hatte man in der Senatskulturverwaltung über einen Vorschlag von Ramona Pop beraten – und war dem Vorschlag der Oppositionspolitikerin gefolgt. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus hatte angeregt, den Strom abzudrehen, sobald sich die „Bärgida“-Demonstranten, vor Berlins Wahrzeichen versammeln würden. „Berlin ist eine weltoffene Metropole – darum sollte das Brandenburger Tor als Wahrzeichen unserer Stadt keine Kulisse für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bieten“, sagte Pop. Sie hatte sich von Köln inspirieren lassen. Dort wurden anlässlich der „Kögida“-Demonstration die Lichter des Doms abgestellt.

Die „Bärgida“, der kürzlich gegründete Berliner Ableger der rechtspopulistischen „Pegida“ aus Dresden, hatte für den Montagabend zu einer Demonstration vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor aufgerufen. Der Veranstalter hatte 300 Teilnehmer angemeldet, die ab 18.30 Uhr vom Roten Rathaus über die Straße Unter den Linden zum Brandenburger Tor ziehen sollten. Nur kamen die Rechtspopulisten nicht vom Fleck: Laut Polizei hinderten einige hundert Gegendemonstranten die Islamfeinde mit einer Blockade daran, sich auf die Strecke zu begeben; gleichzeitig versammelten sich tausende Gegendemonstranten – die Polizei sprach von rund 5000, die Veranstalter von mindestens 7500 – auf der Fahrbahn am Molkenmarkt und versperrten den „Bärgida“-Demonstranten auch hier den Weg. So blieben die etwa 400 Gegendemonstranten, die einem Aufruf der Türkischen Gemeinde gefolgt waren und an der Straße des 17. Juni auf die Rechtspopulisten gewartet hatten, unter sich.

400 Menschen folgen "Bärgida"-Aufruf

Auf der „Bärgida“-Facebookseite hatten mehr als 700 Menschen ihr Kommen angekündigt, dann folgten etwa 400 dem Aufruf der Organisatoren um den einstigen Pankower Bezirksverordneten Karl Schmitt. Die „Bärgida“-Gegner brachten ab 17 Uhr etwa die fünfzehnfache Menge an Demonstranten unter dem Motto „Gemeinsam gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung!“ auf die Straße. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schaute in Begleitung des SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß kurz vorbei.

Neben der Politprominenz war eine bunte Truppe dem Aufruf antirassistischer und antifaschistischer Gruppen gefolgt. Viele Familien, ältere Bürgerrechtler, Studenten, Abordnungen der Jusos, der Linken und der Piratenpartei. Sie skandierten „Nationalismus – raus aus den Köpfen“ und „Pegida – nie wieder“ und applaudierten den Rednern, die „Bärgida“ Nationalchauvinismus, Rassismus und Feigheit vorwarfen. Zwischenzeitlich gab es Verwirrung, als ein Teil der antirassistischen Demonstranten in Richtung Brandenburger Tor aufbrach – sie hatten vermutet, „Bärgida“ sei losmarschiert. Als verkündet wurde, dass die Rechten blockiert würden, brandete Jubel auf – die Frühstarter machten kehrt und liefen zu den Metallgittern zurück, die linke und rechte Demonstranten trennten.

Etwa die Hälfte der „Bärgida“-Leute harrte trotz der Kälte aus, bis gegen 20.55 Uhr die Organisatoren die Demonstration für beendet erklärten. Die Polizei sprach – abgesehen von der Blockade und einigen Eierwürfen – von einem „überwiegend störungsfreien Ablauf“.

Pro Deutschland, Hooligans und NPD

Auch wenn „Bärgida“ weit weniger Menschen auf die Straße brachte als Pegida in Dresden, erscheint der Rechtsdrall genauso stark. Am Roten Rathaus tummelten sich Funktionäre der islamfeindlichen Splitterpartei Pro Deutschland, Hooligans in Thor-Steinar-Jacken und ein ehemaliger Bezirksverordneter der NPD. Vor allem die kräftigen Hauertypen brüllten Parolen, die auch bei Aufmärschen von Neonazis zu hören sind, wie „wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“.

NPD-Mann Jan Sturm blickte wütend zu den Gegendemonstranten hinüber. „Zu jeder ordentlichen Demonstration gehört ein Wasserwerfer, der die Scheiße wegspült“, rief Sturm zwei Polizisten zu. Dann erzählte er hektisch, wie er in seiner Zeit als Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von „Linksfaschisten“ zusammengeschlagen wurde. Trotz seiner Verletzungen sei er aufgestanden und nach Hause gegangen, „tja, hart wie Kruppstahl“. In einer Gruppe unauffälliger „Bärgida“-Demonstranten stand ein kleinerer Mann, aus seinen Haaren tropfte Regenwasser. Die Gestalt erregte Mitleid, verdient hatte sie es nicht. Der Mann ist bekannt als Holocaust-Leugner, jedes Verfahren wegen Volksverhetzung deutet er in seiner E-Mail-Propaganda um in einen „Auschwitz-Prozess“. Auch solche Leute fühlen sich bei „Bärgida“ offenbar gut aufgehoben.

Frank Jansen, Timo Kather

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