Tesla-Gigafactory in Grünheide: Autoexperten zweifeln an Musks Zeitplan für Brandenburg
Die Nachricht vom Fabrikbau in Grünheide bei Berlin hatte den Aktienkurs von Tesla gestützt. Nun melden sich die ersten Skeptiker zu Wort.
Etwas mehr als eine Woche ist vergangen seitdem Firmengründer-Weltstar Elon Musk Berlin, Brandenburg und die Welt mit seiner Ankündigung überrascht hat, dass sein Autohersteller Tesla in Grünheide bei Berlin den Grundstein für eine Fabrik legen will – und zwar schon in wenigen Monaten.
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Ab 2021 sollten dann in Grünheide bei Berlin erste Autos und Batterien vom Band laufen, ließ er wissen. Diese Ankündigung beflügelte offenbar auch den Kurs der Tesla-Aktien, von denen Musk persönlich noch etwa 19 Prozent besitzt: So war das Papier am Dienstag vergangener Woche an der US-Technologiebörse Nasdaq noch zum Kurs von knapp unter 350 Dollar gehandelt worden. Seither ist er fast stetig gestiegen. Am gestrigen Mittwoch überstieg er in New York die 360-Dollar-Marke – ohne aber das Allzeithoch von 383 Dollar aus dem Sommer 2017 zu erreichen.
Investitionsentscheidung für Brandenburg wurde positiv aufgenommen
Natürlich: Der Zusammenhang von einer Manageräußerung und einer Aktienkursbewegung ist nie eindeutig nachweisbar. Schließlich kann man nicht jeden Kleinaktionär zu den Motiven seines Aktienkaufs oder -verkaufs persönlich befragen. Aber man darf den Kursverlauf dieser Aktie sicher so deuten, dass die Mehrheit der Anleger weltweit diese milliardenschwere Investitionsentscheidung für Brandenburg eher positiv aufgenommen hat.
Zugleich mehren sich die Stimmen, die Zweifel – zumindest am Zeitplan beim Fabrikbau – anmelden. So überschrieb jetzt ein Kollege der geschätzten „Neue Zürcher Zeitung“ seinen Artikel mit der Frage: „Verzockt sich Elon Musk?“ Der Tesla-Chef habe sich offenbar mit den Verantwortlichen in der Region Berlin darauf geeinigt, die Tesla-Fabrik auch im Tesla-Tempo aufzubauen. „Doch dass dies gelingt, wird in Wall-Street-Kreisen zu Recht bezweifelt“, schreibt er – ohne auch nur ein Mitglied dieser „Kreise“ namentlich zu nennen.
Skepsis bei den Autoexperten
Fragt man Autoexperten, die zumindest ein wenig näher dran sind am Geschehen in der Mark als die anonymen Börsen-Influencer zwischen Zürich und Manhattan, erhält man gleichwohl ähnliche Einschätzungen: „Mit Blick auf Musks ambitionierten Zeitplan sei Skepsis angebracht“, sagte der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer dem Tagesspiegel am Mittwoch. „Ob die Produktion schon 2021 beginnt – daran sollte man mal ein Fragezeichen setzen“, erklärt der Leiter des CAR-Center Automotive Research in Duisburg.
Theoretisch sei ein so schneller Hochlauf möglich, praktisch müsse Musk aber schauen, „wie er seine Finanzierungen balanciert“. Das Tesla-Werk in Shanghai, das sich noch im Bau befinde und geschätzte zwei Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro) kosten soll, habe für den US-Autobauer Vorrang. „Wenn China steht und er die Finanzierung schafft“, meint Dudenhöffer, sei ein schneller Baufortschritt auch in Brandenburg möglich. „Aber ich glaube nicht an 2021.“
Elon Musk – ein „Marketing-Guy“
Dass sich Musk in Deutschland verzockt, glaubt Dudenhöffer aber nicht. „Er kennt den deutschen Markt seit der Übernahme des Anlagenbauers Grohmann gut.“ Außerdem komme die Elektromobilität in Fahrt, die Nachfrage werden 2020/2021 deutlich anziehen. Milliarden-Investitionen wie von Volkswagen gäben Tesla recht. Auch das BER-Chaos taugt nach Meinung des Experten nicht als Negativbeispiel für deutsches Bürokratieversagen generell.
Auch Frank Schwope, der in Hannover im Auftrag der Nord/LB seit Jahren Tesla und andere börsennotierte Autohersteller beobachtet, meint: „Man muss auch realistisch bleiben, der Bau einer solchen Fabrik in Deutschland dauert zwischen drei und vier Jahren.“
Hätte Musk von den Verantwortlichen in Berlin und Brandenburg einen Freibrief für die Überholspur bei allen nötigen Genehmigungsprozessen ausgestellt bekommen, wäre dies ja auch ungerecht gegenüber allen anderen Industrieunternehmen, gibt Schwope zu bedenken. Zugleich glaube er nicht an einen zu großen Kursabsturz, sollte Tesla den Zeitplan irgendwann korrigieren. „Bei Elon Musk kennt man das ja: Er ist eben ein Marketing-Guy“.