Berliner Verwaltungsgericht bringt Bundesregierung in Bredouille: Auswärtiges Amt muss afghanischer Ortskraft und Familie Visa gewähren
Das Amt hatte die Aufnahme zunächst abgelehnt. Die Entscheidung des Gerichts könnte nun auch für zahlreiche andere Ortskräfte relevant werden.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die harte Handhabe des Auswärtigen Amtes beim Umgang mit Visa-Anträgen afghanischer Ortskräfte in einem ersten Fall gestoppt. Es verpflichtete das Bundesaußenministerium in einem Eil-Verfahren per Beschluss am Mittwoch dazu, einem Afghanen und dessen Familie aus Kabul Visa für den Aufenthalt in der Bundesrepublik zu erteilen.
Der Fall könnte auch für zahlreiche andere Ortskräfte relevant werden, die in früheren Jahren für deutsche Behörden und die Bundeswehr tätig waren, deren Aufnahme aber bislang abgelehnt worden war.
Zahlreiche Ortskräfte sitzen in Kabul weiterhin fest, der Rettungseinsatz der Bundeswehr endet offenbar am Freitag. Der Gerichtsbeschluss könnte den in Kabul festsitzenden Ortskräften Hoffnung geben, die deutschen Behörden aber angesichts des Zeitdrucks bei der Rettung in die Bredouille bringen. Es gibt aber auch Ortskräfte, die aus Afghanistan geflüchtet sind und bislang vergeblich um Hilfe bei den Deutschen bitten.
Bereits Anfang August hatte sich die betroffene Familie, ein Ehepaar und drei Kinder, an das Auswärtige Amt gewandt, um nach Deutschland ausreisen zu können. Das Außenamt lehnte es jedoch ab, eine Aufnahmeentscheidung zu erlassen. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass der Mann bereits seit 2017 nicht mehr als Ortskraft tätig sei.
Die Familie hält sich laut Gericht in Kabul auf. Der Mann war bis 2017 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als „Field Officer“ tätig. Die Familie sehe sich daher von den radikal-islamistischen Taliban, die die Macht in Afghanistan übernommen haben, bedroht und noch immer in Gefahr, hieß es.
Die Taliban suchten nach ihm, begründete die Familie ihren Eil-Antrag. Bereits 2016 sei er einmal angeschossen worden, hieß es. Wegen praktizierter Sippenhaft sei auch seine Kernfamilie in Gefahr.
Das Auswärtige Amt habe die Ablehnung von Visa und Einreise nach Deutschland damit verteidigt, dass ansonsten jeglichen bedrohten afghanischen Staatsbürgern ein solcher Anspruch zustehen würde. Die Entscheidung über eine Aufnahme stehe in ihrem Ermessen, mit dem ihr außenpolitischer Handlungsspielraum eingeräumt sei.
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Das Verwaltungsgericht ließ das nicht gelten. Der Grund für die Aufnahme ergebe sich schon aus der Machtübernahme der Taliban und der damit verbundenen Gefahr für Ortskräfte. Zudem habe die Familie den Anspruch auf Visa mit der „erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht“.
Das Auswärtige Amt habe in dieser Frage keinen Ermessenspielraum, entschieden die Richter. Es handle sich gerade nicht um „beliebige afghanische Staatsangehörige, sondern um eine Ortskraft und dessen Familie“.
Bekannt sei auch, dass die Aufnahmekriterien für Ortskräfte jüngst geändert wurden, erklärte das Gericht. Demnach können ehemalige Ortskräfte und deren Familien auch dann eine Aufnahme beanspruchen, wenn ihre Tätigkeit bis 2013 angedauert habe.
Der Aufnahme stehe auch nicht entgegen, dass zwei Kinder bereits volljährig seien, entschieden die Richter. Das Bundesentwicklungsministerium habe öffentlich erklärt, dass die bisherige Praxis, volljährige Kinder von Ortskräften nicht aufzunehmen, geändert werde. Das reiche angesichts der außergewöhnlichen Umstände aus. Das Auswärtige Amt kann gegen den Beschluss vorgehen und Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) einlegen.