Stadtentwicklung in Berlin: Ausstellung in Mitte eröffnet neue Blicke auf die Stadt
Die Ausstellung "CityVis" visualisiert digitale Daten zu Strukturen und Entwicklungen in Städten. Auch über Berlin lernt man dort Unerwartetes.
Welche Probleme man in einer Stadt sieht, hängt vom Bild ab, das man von ihr hat. Es bestimmt, welche Probleme die Politik angeht, worüber diskutiert wird. Das berühmteste historische Beispiel dafür lieferte Charles Booth 1889. Der Sohn reicher englischer Getreidehändler lebte in London, als Statistiker und sozialistische Rädelsführer behaupteten, ein Viertel aller Londoner lebte in Armut.
So viele? Das wollte der Unternehmer nicht glauben und begann eine eigene Studie. Er befragte Menschen in allen Teilen der Stadt nach ihren Lebensumständen. Heraus kam eine der ersten detaillierten Karten über Armut in Städten. Und ein Drittel der Karte zeigte erbitterte Armut. Booth hatte sich selbst widerlegt und begann nun zu überlegen, wie man die Armut mindern könnte. Inzwischen sind solche Erhebungen in allen großen Städten Standard. Was man zeigen kann, kann man angehen. Eine neue Ausstellung in Mitte stellt jetzt ganz neue Sichtweisen auf die Stadt vor. Und neue Probleme.
Stadtplanung: Bürger sollen mitdiskutieren können
Im Zeitalter von Smartphones und Sensoren, die überall in der Stadt verbaut sind, wissen wir heute eigentlich mehr als jemals zuvor über uns. Doch viele Erkenntnisse werden nicht genutzt, weil man sie eben nicht sehen kann. Es ist schwer, Millionen Zeilen von Tabellen durchzulesen. So bleiben viele Erkenntnisse einem kleinen Kreis von Firmen, Experten und Stadtplanern vorbehalten.
Genau da setzt die Ausstellung „CityVis“ an, die am Montagabend in den Räumen der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz am Köllnischen Park eröffnet wurde. Veranstaltet von der Technologiestiftung Berlin und dem Urban Complexity Lab der FH Potsdam soll die Ausstellung neue Sichtweisen auf Stadt ermöglichen. Sebastian Meier von der Technologiestiftung sagt: „Wir wollen sichtbar machen, welches Potenzial neue Visualisierungen des urbanen Raums haben. Dadurch kann Stadtplanung transparenter werden.“ Das befähige Bürger, bei aktuellen Debatten der Stadtentwicklung besser mitzudiskutieren. Die Ausstellung zeigt die Gewinner und Finalisten eines vorangegangenen Wettbewerbs aus aller Welt. Da gibt es zum Beispiel eine Weltkarte der Migrationsbewegungen von Geflüchteten, eine Stadtkarte von Chicago mit allen Verbrechen oder eine weltweite Karte von Straßenmusik in Großstädten. Es gibt aber auch neue Perspektiven auf Berlin zu sehen. Zum Beispiel im Projekt „What the Street?“ der Firma Moovel. Aufwendige Animationen vergleichen, wie viel Raum in der Stadt Autos zur Verfügung steht, wie viel Zügen und wie viel Fahrrädern. Ergebnis: Allein die Parkplätze in Berlin entsprechen der 3,3-fachen Größe des Tempelhofer Feldes, haben 59 mal so viel Raum wie alle Fahrradparkplätze.
70 Quadratmeter großes Berlin-Modell
Auch eine neue Perspektive auf die Berliner Schulen gibt es: Thomas Tursics zeigt, wie sich die fünf Milliarden Euro Sanierungsstau verteilen. Und zeigt für Lichtenberg beispielhaft, welche Schulen welche Mängel haben. Die Ausstellung findet an einem besonderen Ort statt. Denn dort sind bereits unzählige Architekturmodelle von Berlin ausgestellt. Highlight ist ein 70 Quadratmeter großes Berlin-Modell. Auf das Modell werden nun Daten über Berlin projiziert. Zum Beispiel, wo genau die Berliner Mauer entlangführte. Oder wo Bike-Sharing-Fahrräder entlangfahren. Und man kann Ergebnisse aus dem Tagesspiegel-Projekt Radmesser sehen. Die zeigen dann, welche Straßen schon wie gut mit Radwegen ausgestattet sind. Das bietet sicherlich Anlass zur Debatte.
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