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Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin.
© Jörg Carstensen/dpa
Update

Inzidenz in Berlin fällt auf 93,7: Außengastronomie könnte zu Pfingsten öffnen – Schulen sollen nicht lockern

Die Bundes-Notbremse greift in Berlin mindestens bis zum 19. Mai. Der Senat berät über die Zeit danach – mit Pilotprojekten und mehr Flächen für Wirte.

Mit den am Montag wieder gestiegenen Inzidenzwerten in Berlin sind die Hoffnungen auf Lockerungen der Corona-Beschränkungen noch in dieser Woche vom Tisch.

Nachdem die Sieben-Tage-Inzidenz der Infektionen am Montag wieder knapp über die Marke von 100 geklettert ist, könnten Lockerungen nun frühestens am 19. Mai möglich sein. Das sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) im Gesundheitsausschuss. Jetzt werde wieder neu gezählt: Fünf Werktage müsse Berlin unter 100 liegen, und dann könnte nach den Regelungen am zweiten Arbeitstag danach gelockert werden. Das sei dann frühestens am 19. Mai, weil dieser Donnerstag wegen Christi Himmelfahrt ein Feiertag ist.

Am Montag stieg die Kennzahl auf 100,8 und damit erneut über die Marke von 100. Der positive Trend der vergangenen Woche ist damit vorerst gebrochen. Die schärferen Maßnahmen gemäß der Bundes-Notbremse bleiben damit bestehen. Am Dienstag allerdings fiel die Inzidenz wieder deutlich unter die 100er-Schwelle: Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab sie mit 93,7 an. Sollte sie an den weiteren vier Werktagen bis zum kommenden Montag ebenfalls unter 100 liegen, würde Kalaycis Szenario eintreten: Dann löst sich die Bundes-Notbremse ab Mittwoch nächster Woche - und es gelten wieder alle Regeln der Berliner Corona-Verordnung.

Am Dienstag wird sich nun der Senat mit der Frage beschäftigen, was genau passieren soll, sollte die Bundes-Notbremse in absehbarer Zeit außer Kraft treten. Denn es ist auch eine Lockerung der Berliner Verordnung im Gespräch. Diskutiert wurde in den vergangenen Tagen eine Öffnung der Außenbereiche von Restaurants und Kneipen.

Müller: Hoffentlich bis Pfingsten unter 100 kommen

Mit der jüngsten Zunahme der Inzidenzen dämpfte Berlins Regierender Michael Müller (SPD) die Erwartungen an Öffnungen zum kommenden Wochenende. Damit sei erst ab Mitte nächster Woche zu rechnen, sagte er am Montag im ZDF-„Mittagsmagazin“ – wenn die Zahlen dies zuließen. „Wir müssen jetzt sehen, wie es in den nächsten Tagen weitergeht, um das beobachten zu können, in welche Richtung es sich nun wirklich entwickelt“, sagte Müller am Morgen im Inforadio des RBB.

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Viele würden sich eine Öffnung der Außengastronomie wünschen. Für Pfingsten kündigte Müller an, mit Brandenburg eine Regelung zu finden – auch für die Gastronomie. „Bis dahin ist noch Zeit, und hoffentlich können wir die Zeit auch nutzen, um dann wirklich deutlich unter 100 zu sein.“

Wirtschaftssenatorin plädiert für Pilotprojekte bei Veranstaltungen

Für eine schnelle Öffnung hatte sich, wie berichtet, auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) stark gemacht und Ende vergangener Woche ein Konzept für den Betrieb der Außengastronomie vorgelegt, gesetzt den Fall, dass die Infektionszahlen weiter sinken. Auch hält sie es für sinnvoll, bald wieder Pilotprojekte zu ermöglichen, gerade in der hart getroffenen Veranstaltungsbranche.

„Mit dem Auslaufen der Bundes-Notbremse wollen wir wieder Berliner Pilotprojekte wie zum Beispiel das Green Tech Festival oder den Hauptstadtkongress ermöglichen, um zu zeigen, wie Veranstaltungen und Tagungen sicherer und unter Nutzung digitaler Möglichkeiten pandemiekonform umgesetzt werden können.“ Auch darum soll es in der Senatssitzung gehen.

Außengastronomie soll zusätzliche Flächen nutzen dürfen

Am Dienstagmorgen bereitete Pop die Berliner darauf vor, dass Lockerungen noch länger dauern könnten als in Brandenburg. „Wenn die Inzidenz in Brandenburg stabil unter 100 liegt und Berlin sich noch nicht klar eingependelt hat unter 100, gilt für uns das Infektionsschutzgesetz des Bundes“, sagte die Senatorin im RBB-Inforadio. „Da sind wir gar nicht frei, andere Dinge zu machen.“ Im Grundsatz sei die Abstimmung mit Brandenburg aber richtig.

Bei den ersten Öffnungsschritten müsse dann der Grundsatz „draußen vor drinnen“ gelten, weil im Freien die Ansteckungsgefahr sehr gering sei. Kultur und Sport wäre dann draußen denkbar, aber ohne große Menschenansammlungen. Wie im vergangenen Jahr solle auch der Außengastronomie mehr Fläche ermöglicht werden, um die Gäste zu entzerren - ohne den Inhabern mehr Gebühren abzuverlangen.

Zielmarken des Senats: 50 Prozent geimpft, Inzidenz unter 50

Auf die Bremse tritt dagegen Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Sie definierte bei den Corona-Infektionen und der Impfquote zwei Zielmarken. Erreicht werden müsse eine Sieben-Tage-Inzidenz „deutlich unter 50“ sowie eine Impfung von 50 Prozent der Bevölkerung, sagte sie am Montag im Gesundheitsausschuss. Erst dann sei ein Durchbruch erzielt.

Bei der Sieben-Tage-Inzidenz sehe man seit dem 19. April eine sinkende Tendenz, allerdings sei der aktuelle Stand mit einem Wert von 100 noch deutlich zu hoch, sagte Kalayci. „Erst bei 20 und 30 ist das Infektionsgeschehen beherrschbar.“ Die Impfquote von 50 Prozent könnte bis Ende Juni erfüllt werden.

Entsprechend deutlich soll sich Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) in der Runde der Staatssekretäre zur Vorbereitung der Senatssitzung gegen die von anderen Häusern zügig angestrebten Lockerungen ausgesprochen haben, heißt es aus Senatskreisen. Unklar ist daher, ob sich der Senat schon am Dienstag auf eine neue Regelung für die Zeit nach der Bundes-Notbremse einigt, oder ob der Beschluss vertagt wird.

Wirtschaft fordert schnelle Öffnungen ohne Bundes-Notbremse

Sollte die Bundes-Notbremse außer Kraft treten, forderte Jörg Nolte, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik der Industrie- und Handelskammer Berlin, eine zügige Öffnung für Handel und Gastronomie. Die Bundes-Notbremse gebe einen klaren Rahmen vor und biete Händlern und Gastronomen immerhin Planungssicherheit und Öffnungsperspektiven, auf die sie sich einstellen könnten.

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„Allein auf den Verdacht hin, dass die Inzidenz wieder ansteigen könnte, Öffnungen zu verhindern, ist aus unserer Sicht deshalb keine Option. Hier geht es nicht zuletzt um die Verlässlichkeit politischer Beschlüsse. Der Vier-Stufen-Plan von Anfang März sieht schließlich ebenfalls an fest definierte Grenzwerte gekoppelte Öffnungsschritte vor“, sagte Nolte.

15 große Firmen nehmen an Modellversuch zum Impfen teil

Eine schnelle Entscheidung forderte Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Berlin. „Sowohl die Virologen als auch die Fachleute auf dem Gebiet der Aerosole bescheinigen, dass im Außenbereich quasi keine Ansteckungsgefahr besteht.“ 

Wenn es anders wäre, müsste der Senat auch alle Parks, Wiesen und Straßen schließen, sagte Lengfelder. Vom Senat erwarte er klare Perspektiven. „Man kann Gastronomiebetriebe nicht auf- und zumachen wie einen Buchladen. Beschäftigte müssen aus der Kurzarbeit geholt werden, Ware muss eingekauft werden.“

15 Firmen impfen Beschäftigte im großen Stil

Begonnen hat am Montag derweil das Modellprojekt zum Impfen über die Betriebsärzte. Gesundheitssenatorin Kalayci lobte große Firmen, die ihre Angestellten und auch die Mitarbeiter anderer Unternehmen impfen lassen wollen. An dem Versuch würden inzwischen 15 Firmen teilnehmen, darunter Bayer und Berlin Chemie. Insgesamt stelle das Land 13.000 Impfdosen dafür zur Verfügung. Der Bund wolle am 7. Juni 500.000 weitere Impfdosen für Impfungen in Betrieben bereitstellen. Sie hoffe aber, dass der Termin nach vorne gezogen werde.

In den Schulen wird sich vor den Sommerferien wohl kaum etwas an den aktuellen Wechselmodellen ändern. Dies geht aus einer Mail der Schulaufsicht an die Schulleitungen hervor, die dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint vorliegt. Darin heißt es, dass „auch bei weiter sinkender Inzidenzzahl die bisher gültigen Regelungen in der Schulorganisation bis zum Ende des Schuljahres 20/21 bestehen bleiben – es wird keine Änderungen geben! Herzliche Grüße!“ (mit dpa)

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