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Die Sehitlik-Moschee beteiligte sich Anfang Oktober am Tag der offenen Moschee.
© Paul Zinken/dpa

Berlin-Neukölln: Aus für Präventionsprojekt an Sehitlik-Moschee

Nach Verbalangriffen auf Mitarbeiter stellt der Verein "Violence Prevention Network" ein Projekt zur Deradikalisierung an der Ditib-Sehitlik-Moschee ein.

Pinar Cetin musste ihrem zweijährigen Kind die Ohren zuhalten, so laut war die verbale Auseinandersetzung mit dem türkischen Religionsattaché Ahmed Fuat Candir in der Sehitlik-Moschee. Die 36-jährige Politologin war umringt von fünf Männern. Candir verwies Cetin der Moschee. Sie würde ein falsches Islambild vermitteln und dürfe keine Moscheeführungen veranstalten. Das alles hörte eine Schulklasse aus Hessen, die sich über das von Cetin geleitete Präventionsprojekt Bahira informieren wollte. Nach diesem Eklat zog der Träger „Violence Prevention Network“ (VPN) die Konsequenz und beendete das Kooperationsprojekt mit der einstigen Vorzeigemoschee in Neukölln.

Den Vorfall schilderten dem Tagesspiegel Zeugen übereinstimmend, die nicht genannt werden wollen. Sie bestätigen damit einen rbb-Bericht. Seit 2015 wurde die Beratungsstelle Bahira im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ mit jährlich 130 000 Euro vom Bundesfamilienministerium und je 16 200 Euro von der Bildungs- und Justizverwaltung des Senats finanziert. „Wir haben Eltern vor Ort in der Moschee beraten, die Angst hatten, dass ihre Kinder radikalisiert werden. Auch Jugendliche kamen zu uns und suchten Hilfe“, sagte VPN-Gründer und Geschäftsführer Thomas Mücke. Für das Büro von Bahira in der Sehitlik-Moschee zahlte VPN 200 Euro monatlich Miete. Und es habe die Absprache mit der Gemeinde gegeben, dass man Besuchergruppen auch in anderen Moscheeräumen empfangen dürfe. „Wenn aber Mitarbeiter so bedrängt werden, ziehen wir die Konsequenzen“, sagte Mücke. Das VPN bietet bundesweit rund 50 Deradikalisierungs- und Präventionsprojekte an und arbeitet mit rechtsextremistisch und islamistisch gefährdeten Jugendlichen.

Die Sehitlik-Moschee gehört zu 900 Moscheen unter dem Dachverband Ditib. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan spannt die Ditib offen für seine politischen Ziele ein. Als Antwort strich die Bundesregierung kürzlich die finanzielle Förderung. „Was in den Moscheen passiert, bestimmt der Religionsattaché“, sagte Mücke. Die Sehitlik-Moschee öffnete sich unter Leitung von Pinar Cetins Ehemann Ender für Besucher und die Öffentlichkeit. Cetin stand für einen liberalen Kurs. 2016 jedoch setzte das türkische Religionsamt den gesamten Vorstand der Sehitlik-Moschee ab.

Der neue Eklat in der Moschee ist auch dem Bundesfamilienministerium bekannt. „Die Entwicklung, die das Kooperationsverhältnis zwischen dem Träger und der Gemeinde genommen hat, ist höchst bedauerlich“, sagte ein Sprecher. Muslimische Akteure und Gemeinden seien wichtige Partner in der Präventionsarbeit im Themenfeld Islamismus. Ohne ihre Beteiligung sei nachhaltige Präventionsarbeit schwer leistbar.

Dass VPN nach den „übergriffigen Äußerungen“ des Attachés die Arbeit mit der Ditib-Sehitlik-Moschee gekündigt habe, sei „konsequent“, sagte Grünen-Politikerin Bettina Jarasch. „Es verträgt sich nicht mit unserem hohen Wert der Religionsfreiheit, dass ein Staat direkt über Religionsattachés Einfluss auf die Religion nimmt und Personalpolitik macht.“ Man müsse die Akteure unterstützen, die einen gemäßigten Islam verfolgten und sich als muslimische Deutsche verstünden. Das fordert auch SPD-Fraktionsvize Ülker Radziwill. Mit unabhängigen Moscheegemeinden müsse man ins Gespräch kommen.

Für Linkspolitiker Hakan Tas ist der Vorfall „nicht hinnehmbar“. Für Tas und Sevim Dagdelen, Fraktionsvize der Linken im Bund, stifte Ditib „nachweislich Unfrieden in Deutschland“ und sei „nicht gemeinnützig, sondern gemeingefährlich“. Wieder einmal hätten Ditib-Funktionäre gezeigt, dass sie „kein förderlicher Teil“ der deutschen Zivilgesellschaft sein wollen, sagte der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz.

Vom Türkischen Generalkonsulat und von Ditib gab es auf Anfrage keine Stellungnahme. Sabine Beikler

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