Landwirtschaft in der Stadt: Auf dem Tempelhofer Feld beginnt die Wiesenmahd
Ländliches Flair auf dem ehemaligen Flughafen: Berlins größte Wiese wird zu Heuballen verarbeitet.
Radfahrern, Spaziergängern und Joggern auf dem Tempelhofer Feld weht dieser Tage Landluft um die Nase: Schon von Weitem duftet es nach frischem Heu.
Mitten in der Hauptstadt wurde es am Montag ländlich: Auf der Freifläche ist „Wiesenmahd“ angesagt. Durch die Gräser, zwischen denen städtische Naturfreunde sonst ihre freie Zeit genießen, bahnte sich da ein ohrenbetäubend lautes Mähwerk seinen Weg. Obenauf: Landwirt Klaus Messinger. Um ihn herum: eine mächtige Staubwolke.
"Schön saftig dieses Jahr"
Weil auch auf der von Berlinern vielgeliebten Freifläche zumindest einmal im Jahr ein klarer Schnitt gemacht werden muss, hat sich der Landwirt aus dem Schönefelder Ortsteil Kleinziethen auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Schon seit Sonnenaufgang dreht er hier seine Runden. „Heiliger Strohsack, mäht sich diesmal richtig gut“, ruft Messinger dem Parkmanager Michael Krebs zu, der gerade vorbeikommt, um nach dem Rechten zu sehen.
Das Tempelhofer Feld mäht der 60-Jährige zum dritten Mal. Weil in diesem Jahr alles wie am Schnürchen läuft, ist er euphorisch: „Schön saftig dieses Jahr, wa?“, ruft er und lacht. Über ihm glänzt blauer Himmel. Auf der Wiese liegt Tau – anders als in den letzten Wochen ist es ansonsten trocken.
Der viele Regen ist gut für das Feld
Im Unterschied zu den Besuchern des Tempelhofer Felds kam dem Landwirt der viele Regen diesen Sommer gelegen. Parkmanager Krebs sagt: „Die starken Niederschläge in diesem Jahr merken wir natürlich auch hier.“ In den vergangenen Jahren sei das Tempelhofer Feld zu dieser Zeit schon gelb gewesen, erklärt der Parkmanager: „Eigentlich müsste die Wiese wie ein Kornfeld aussehen.“ Das Ergebnis: 300 Hektar saftiges Grün. Krebs prophezeit, dass sich der Regen bald auszahlen wird: „In diesem Jahr wird es wahrscheinlich besonders viele Heuballen geben“, sagt er.
Die Wiesenmahd fand auch in den letzten Jahren meist Anfang August statt: „Wir richten uns nach der Feldlerche, die ihre Nester mitten in der Wiese baut.“ Gemäht wird erst, wenn die Lerche in der Luft zappelt – der Nachwuchs „flügge“ geworden ist. Wann das genau der Fall sei, bestimme ein Vogelexperte. Weil die Feldlerche vom Aussterben bedroht ist, soll sie geschützt werden, erklärt Krebs.
Die Lerche ist das Maskottchen
Treue Tempelhofer-Feld-Besucher kennen den Vogel gut: Teile des Tempelhofer Felds sind wegen der Nester im Sommer manchmal abgesperrt. Krebs sagt: „Die Lerche ist quasi unser Maskottchen.“ Neulinge bekommen den Vogel auf einer Info-Tafel vorgestellt: „Bei geringem Wind ‚steht‘ die Lerche mit raschen Flügelschlägen in der Luft und ist am Gesang zu erkennen“, steht da: „Lauschen Sie dem ‚Trr-lit‘ oder ‚Trrrrip‘“.
Aber nicht nur die Lerche soll während der Wiesenmahd geschützt werden: Damit Insekten auf andere Wiesenteile ausweichen können, werde heute erst mal die Hälfte des Feldes gemäht. In drei bis vier Wochen gehe es dann weiter.
Auch junge Bäume sollen stehen bleiben: „Diese kleine Eiche, die hier aufwächst, bleibt", sagt Krebs und deutet auf ein zartes Gewächs vor seinen Füßen. Die Eiche ist mit rot-weißem Absperrband umhüllt, damit Landwirt Messinger sie weit umfahren kann.
Für den Landwirt ist die „Wiesenmahd auf dem Tempelhofer Feld“ neben einem „Großauftrag“ eine willkommene Abwechslung: „Da sieht man wenigstens auch mal ein paar Leute und ist nicht so allein auf dem Acker", sagt er. Rechts von ihm: Autos, Jogger, Radfahrer.
Teilweise 16 Stunden Arbeitszeit
Messinger ist mit der Landwirtschaft groß geworden: „Schon mein Vater war Landwirt“, sagt er. „Damals war das so.“ Er hat sich nach der Wende selbstständig gemacht. Wenn er an die DDR zurückdenkt, sagt er: „Damals war es zwar nicht besser, aber entspannter.“ Früher habe er acht Stunden gearbeitet, heute arbeite er teilweise doppelt so lang. An diesem Montag etwa werde er noch bis 22 Uhr über das Feld fahren, sagt Messinger. Anschließend will er sich wieder den Kürbissen widmen, die er in seinem Hofladen verkauft: „100 Sorten“, erzählt Messinger stolz.
Dass die Berliner Wiesenpracht in diesem Jahr üppiger gewachsen ist, kommt sowohl Besuchern als auch hungrigen Nutztieren zugute. Wenn Messinger mit seiner Arbeit auf dem Tempelhofer Feld durch ist, wird er hier etwas von dem landwirtschaftlichen Flair zurücklassen: Ein Teil der Heuballen bleibt auf dem Feld – „um darauf zu sitzen und die Aussicht zu genießen“, wie Michael Krebs sagt: Der andere Teil der Ballen werde verfüttert. Das Heu vom Tempelhofer Feld sei „kräuterreich“ und „ungedüngt“, wie der Feldmanager erklärt.