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Der Senat will Kameras an allen Bahnhöfen, um Straftaten vorzubeugen.
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Update

Videoüberwachung der S-Bahn: Auf dem elektronischen Auge blind

Die Berliner S-Bahn wehrt sich dagegen, flächendeckend Kameras zu installieren. Doch der Druck aus der Politik nimmt immer mehr zu. Gleichzeitig bröckelt die Ablehnung des S-Bahn-Betriebsrats.

Trotz verstärkten Drucks durch den Senat lehnt die S-Bahn eine flächendeckende Kameraüberwachung von Bahnhöfen und Bahnsteigen weiterhin ab. Dies sei derzeit nicht vorgesehen, sagte S-Bahn-Chef Peter Buchner am Montag. Nur die neun Bahnhöfe, für die die Deutsche Bahn direkt zuständig ist, bleiben kameraüberwacht, weil die S-Bahn dort nichts zu sagen hat. Dies sind die Stationen, an denen auch Fern- und Regionalzüge halten.

Ob vorhandene Kameras, die für die Zugabfertigung vorgesehen sind, in Zukunft die Aufnahmen aufzeichnen dürfen, hängt vom Betriebsrat ab, der bisher dagegen war. Am Montag teilte das Gremium jedoch mit, der Betriebsrat sei nicht grundsätzlich gegen eine Videoüberwachung. Am Sonntagfrüh konnte die Bundespolizei anhand von Kameraaufnahmen einen Schläger im Ostbahnhof festnehmen.

Die Deutsche Bahn setze auf regelmäßige Streifen durch das Sicherheitspersonal und die Bundespolizei, sagte Susanne Kuhfeld, die Leiterin von DB Lagezentrum. Zudem seien neben den klassischen Aufsichten auf den Bahnsteigen zahlreiche mobile Mitarbeiter unterwegs, die Ansprechpartner für die Fahrgäste seien und das subjektive Sicherheitsgefühl stärkten, sagte Buchner. Für die 166 Stationen der S-Bahn sind nach Kuhfelds Angaben rund 550 Mitarbeiter beim Sicherheitspersonal vorgesehen. Die BVG hat für die 173 Stationen der U-Bahn nach Angaben von Sprecherin Petra Reetz täglich mindestens 140 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Während die BVG ihre Aufsichten überall abgezogen hat, sind bei der S-Bahn noch rund die Hälfte der  Bahnhöfe ständig besetzt. Die meisten Mitarbeiter sollen auch hier abgezogen werden, wenn das geplante neue Abfertigungsverfahren für die Züge eingeführt ist. Nur auf 21 Stammbahnhöfen soll es dann noch Personal geben, das aber meist keinen direkten Blick auf den Bahnsteig haben wird. Dies hatte nach Tagesspiegel-Informationen der Senat bei den Verhandlungen zum Verkehrsvertrag 2004 gefordert.

Kameras nicht zur Überwachung der Mitarbeiter gedacht

Der Senat will Kameras an allen Bahnhöfen, um Straftaten vorzubeugen.
Der Senat will Kameras an allen Bahnhöfen, um Straftaten vorzubeugen.
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Dagegen sprechen sich der Betriebsrat und die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG aus. Die S-Bahn müsse sich wieder die „Premium-Sicherheit“ durch Aufsichten leisten, sagte der Berliner EVG-Vorsitzende Klaus Just. Videotechnik sei nicht das „Goldene Kalb“ der S-Bahn-Sicherheit. Diese lasse sich nur mit der Kombination „Technik plus Mensch“ optimieren. Kameras dürften dabei aber nicht zum „Instrument der Arbeitsplatzüberwachung“ der S-Bahn-Beschäftigten werden, sagte Just weiter.

So argumentiert auch der Betriebsrat, der deshalb bereits 2008 Verhandlungen mit der Geschäftsführung zur Videoüberwachung platzen ließ – nach einem Seminar beim Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix, wie ein Betriebsratsmitglied sagte. Das Gremium befüchtet, dass auch das Verhalten der Mitarbeiter per Kamera kontrolliert werden könnte. Dabei nehmen die für den Betrieb eingesetzten Kameras den Zug von hinten auf. Dass das Gremium nicht grundsätzlich gegen eine Videoüberwachung sei, zeige sich daran, dass mit seiner Zustimmung derzeit alle Verkaufscenter der S-Bahn von Kameras erfasst würden.

Eine flächendeckende Erfassung der Bahnsteige mit Kameras will die Bahn nicht finanzieren. Ihr Vorschlag, dass der Senat rund 1,5 Millionen Euro für die Ausstattung von 23 Bahnhöfen bezahle, sei von diesem abgelehnt worden, sagte Uwe Marxen von der Bahn.

Der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Peter Trapp (CDU), bezeichnete die Forderung der Bahn als unverschämt. Die Garantie der Sicherheit für die Fahrgäste sei Bestandteil der Leistung, für die das Unternehmen Zuschüsse des Landes erhalte, sagte er. „Und wenn der Betriebsrat befürchtet, dass die Videoaufzeichnungen für arbeitsrechtliche Zwecke verwendet werden, kann man dies einfach durch eine Betriebsvereinbarung ausschließen.“

Das schlugen inzwischen auch Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix sowie der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins, vor. „Man kann das doch wie bei der BVG machen.“ Beide warnten aber auch davor, Videokameras als Allheilmittel zu betrachten. Kreins forderte deshalb mehr uniformiertes Wachpersonal sowie Freifahrscheine für Polizisten, die in Uniform zum Dienst und wieder zurück fahren. Die Piraten wollen statt mehr Kameras mehr Wachschutz, die Linken und die Grünen sind ähnlicher Ansicht. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Harald Wolf sagte: „Eine Videokamera kann eine Gewalttat nur aufzeichnen, aber nicht verhindern.“

Klaus Kurpjuweit, Sandra Dassler

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