Freie Fahrt und genug Abstand in der Coronakrise: Auch Tempelhof-Schöneberg will Pop-up-Radwege
Kreuzberg hat sie schon – provisorische Radwege in der Coronakrise. Ein weiterer Bezirk hat sich diesbezüglich an den Senat gewandt.
Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg will die Corona-Krise für neue provisorische Radwege nutzen. Nachdem Fahrradaktivisten eine Wunschliste übermittelten, hat das Bezirksamt überraschend schnell drei Vorschläge für so genannte Pop-up-Radwege an die Senatsverkehrsverwaltung übermittelt.
Dies sagte die zuständige Stadträtin Christiane Heiß (Grüne) am Donnerstag dem Tagesspiegel. Es sind diese drei Abschnitte: Innsbrucker Platz, die Schöneberger Straße in Tempelhof und ein kurzer Abschnitt am Sachsendamm.
Vor einer Woche hatte der Bezirk Kreuzberg am Halleschen Ufer einen Pop-up-Radweg markiert und mit Pollern gesichert. Dies geschah innerhalb weniger Tage, alle Absprachen zwischen den beteiligten Verwaltungen wurden mündlich an Ort und Stelle getroffen.
Begründet wurde das mit Corona-Argumenten: Das Kfz-Aufkommen ist deutlich geringer, Radfahrer können auf breiteren Wegen den vorgeschriebenen Abstand von 1,5 Metern halten. Neben dem langen Abschnitt am Landwehrkanal wurde an einer Kreuzung die Aufstellfläche für Radfahrer vergrößert. Als Vorbild wurden Städte wie Bogota und New York genannt, die wegen Corona in aller Schnelle Autofahrspuren in Radwege umwidmeten.
Kreuzberg war am schnellsten
Das Tempo aus Kreuzberg könne man nicht schaffen, sagte die Stadträtin. Vorteil am Halleschen Ufer sei, dass es dort kaum Geschäfte und Einfahrten gebe, dies habe den Pop-up-Radweg erleichtert. Heiß betonte aber, dass sie ihre Wünsche nicht nur schriftlich sondern auch telefonisch an die Verkehrsverwaltung übermittelt habe. Eine Stellungnahme der Senatsverwaltung lag bis zum Nachmittag nicht vor, man arbeite dran, sagte eine Sprecherin.
Diese Strecken haben die besten Chancen auf einen Radweg
Zehn Straßenabschnitte hatte das „Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg“ der Stadträtin übermittelt, darunter Hohenstaufenstraße, Attilastraße, Boelckestraße, Prellerweg und Nollendorfplatz. „Daraus habe ich ein Ranking erstellt“, sagte Heiß. Die besten Chancen auf schnelle Realisierung sieht die Stadträtin am Innsbrucker Platz und der Schöneberger Straße zwischen Alboinstraße und Manteuffelstraße. Der dritte Vorschlag stammt aus dem Bezirksamt, es ist der Sachsendamm.
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Hier hatte die Verkehrslenkung vor zwei Jahren den Radweg und die Busspur beseitigt – damit Autofahrer mehr Platz haben. Heiß sei „nicht optimistisch“, dass sich dies am Sachsendamm jetzt ändere. Der ADFC hatte schon vor zwei Jahren dort Poller vorgeschlagen.
Trotz Protests des Bezirks, des Fahrradclub ADFC und des Netzwerks blieb die Verkehrslenkung Berlin (VLB) hart, sagte Heiß. Die VLB gehört zur Verkehrsverwaltung, wie mehrfach berichtet, wird der Abteilung seit Jahren vorgeworfen, rein auf Autos fixiert zu sein und Radwegplanungen zu verschleppen.
Der Bezirk gilt als langsam bei Radwegen
Bislang ist der Bezirk Radfahrern nicht durch großen Eifer aufgefallen. Die Netzwerk-Aktivisten hatten kürzlich über Tempelhof-Schöneberg so geurteilt: „Die Bilanz für 2019 ist ein Desaster.“ Es sei im vergangenen Jahr „nahezu nichts“ geschehen. „Bei dem aktuellen Tempo würde es 300 Jahre dauern, bis die Ziele des Mobilitätsgesetzes umgesetzt wären.“
Die grüne Stadträtin wiederum kritisierte die grüne Verkehrsverwaltung. Der Plan für vernünftige Radwege an der Boelckestraße, liege „fertig in der Schublade“. Bislang scheitere der Bau an der Verkehrsverwaltung, und zwar an „Finanzierung und Detailfragen“.
Vor dem Corona-Ausbruch hatte der Bezirk drei Straßen für 2020 als prioritär beim Senat angemeldet, und zwar Tempelhofer Damm, Kolonnenstraße und Boelckestraße.