Nach Messerattacke in Hamburger Supermarkt: Attentäter als Islamist bekannt - Motiv weiter unklar
Ahmad A. war als Islamist gelistet, allerdings auch psychisch labil. Der Generalbundesanwalt prüft, ob er den Fall an sich zieht.
Nach der tödlichen Messerattacke des Flüchtlings Ahmad A. in Hamburg bleibt das Tatmotiv unklar. Es gebe Hinweise auf ein religiöses Tatmotiv, aber auch auf eine „psychische Labilität“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Sonnabend vor der Presse.
Grote bestätigte allerdings Informationen des Tagesspiegels, dass der 26-Jährige den Sicherheitsbehörden als Islamist bekannt war. Ahmad A. sei aber nicht als „Gefährder“ eingestuft worden, hieß es in Sicherheitskreisen. Möglicherweise habe er am Freitag in einer „Kurzschlussreaktion“ gehandelt. Die Staatsanwaltschaft hat am Samstagabend Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Er sitze nun in Untersuchungshaft, sagte die Hamburger Oberstaatsanwältin Nana Frombach: "Zur Sache hat er sich noch nicht geäußert", deshalb gebe es auch noch keinen Aufschluss über das genaue Motiv. Die Ermittler werteten nun weiterhin die Beweismittel aus, sagte Frombach. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe prüfe, ob er den Fall an sich zieht. Die für schwere Terrorverfahren zuständige Bundesanwaltschaft hatte zunächst darauf verzichtet, das Verfahren an sich zu ziehen, ist aber in ständigem Kontakt mit der Hamburger Staatsanwaltschaft.
Ahmad A. hatte am Freitag kurz nach 15 Uhr in einem Edeka-Supermarkt im Stadtteil Barmbek mit einem großen Küchenmesser auf mehrere Kunden eingestochen. Ein 50-jähriger Mann starb, sieben weitere Menschen wurden verletzt. Einer von ihnen - ein 35 Jahre alter Mann - gehört zu den Passanten, die den fliehenden Täter auf der Straße mit Stühlen bewarfen und überwältigten.
Bei den übrigen Verletzten handelt es sich unter anderem um eine 50-jährige Frau und vier Männer im Alter von 19, 56, 57 und 64 Jahren. Sie sind zum Teil schwer verletzt, befinden sich jedoch nicht mehr in Lebensgefahr. Zivilfahnder der Polizei nahmen Ahmad A. schließlich fest. Er soll noch am Sonnabend dem Haftrichter vorgeführt werden.
Sicherheitsexperten hatten dem Tagesspiegel am Freitagabend berichtet, der Flüchtling sei bereits als Islamist bekannt gewesen. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) bestätigte das am Samstag in einer Pressekonferenz. Es gebe Hinweise auf ein religiöses Tatmotiv, aber auch auf eine „psychische Labilität“, sagte Grote.
Kooperativ bei der Beschaffung seiner Passersatzpapiere
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz sagte am Freitagabend, der Täter sei ausreisepflichtig gewesen, habe aber wegen fehlender Ausweispapiere nicht abgeschoben werden können. Grote bestätigte am Sonnabend, Ahmad A. hätte in den nächsten Tagen ausreisen sollen - sobald seine Papiere eingetroffen seien. Nach seinen Informationen hatte der mutmaßliche Täter keine Rechtsmittel gegen seinen negativen Asylbescheid eingelegt und sich noch am Tag des Angriffs bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob seine nötigen Passersatzpapiere vorliegen würden. Hamburgs Polizeipräsident Ralf Meyer sagte, der Mann sei in dieser Hinsicht eine „fast vorbildhafte Person“ gewesen.
Der Hamburger Innenstaatsrat Bernd Krösser erklärte, der mutmaßliche Angreifer sei 2015 nach Deutschland eingereist. Zuvor habe er Stationen in anderen europäischen Ländern gehabt: in Norwegen, Schweden und Spanien. Über Norwegen sei der Mann im März 2015 nach Deutschland gekommen, zunächst nach Dortmund. Von dort aus sei er im klassischen Asylverteilungsverfahren nach Hamburg weitergeleitet worden. Hier sei er im gleichen Monat eingetroffen und habe schließlich im Mai 2015 einen Asylantrag gestellt.
Im November oder Dezember 2016 habe das zuständige Bundesamt den Asylantrag des Mannes abgelehnt. „Seitdem läuft im Grunde genommen das Ausreiseverfahren, das wegen der notwendigen Passersatzpapierbeschaffung bisher nicht abgeschlossen werden konnte", sagte Krösser.
Die für Terrorermittlungen zuständige Bundesanwaltschaft steht in Kontakt mit der Hamburger Staatsanwaltschaft, hat aber noch nicht entschieden, ob sie das Verfahren an sich zieht.
Zeugen hatten der Polizei gesagt, der Attentäter habe „Allahu akbar“ gerufen. Ob Ahmad A. Kontakt zur Terrormiliz IS oder einer anderen militanten islamistischen Organisation hatte, ist offen.
Die Polizei durchsuchte Freitagabend in Stadtteil Langenhorn das Heim, in dem Ahmad A. wohnte. Bewohner der Flüchtlingsunterkunft berichteten, der Verdächtige sei bereits vor einigen Wochen schon einmal aufgefallen, als er beim Campus der Hamburger Universität in der Nähe des Zugbahnhofs Dammtor islamistische Parolen gerufen habe.
Das habe er auch in der Unterkunft getan und wiederholt "Allahu Akbar" gerufen. Die Bewohner hätten es mit der Angst zu tun bekommen und sich bei der Heimleitung über ihn beschwert - ohne Reaktion. Ahmad A. sei ihnen nicht als streng religiös aufgefallen, wohl aber durch immensen Haschischkonsum, teilten die Bewohner dem Tagesspiegel mit.
Widersprüchliche Angaben gibt es zur Herkunft des Täters. In den Sicherheitsbehörden war zunächst zu hören, Ahmad A. sei ein in Saudi-Arabien geborener Palästinenser, dann war von den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten als Geburtsort die Rede. Außerdem wurde als Name zunächst Ahmad Al-H. genannt. Ahmad A. scheint eine reduzierte Abkürzung zu sein.
Womöglich der achte islamistische Anschlag in Deutschland
Sollte sich ein terroristischer Hintergrund der Tat bestätigen, wäre sie der womöglich achte islamistische Anschlag in Deutschland, bei dem Menschen zu Schaden kamen.
Den ersten Angriff verübte im März 2011 der junge Kosovare Arid Uka. Mit einer Pistole erschoss er am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten und verletzte zwei weitere schwer. Im September 2015 stach in Berlin-Spandau der Iraker Rafik Y. mit einem Messer einer Polizistin in den Hals. Ein Kollege des Opfers erschoss den Täter. Rafik Y. hatte als Terrorist mehrere Jahre in Haft gesessen. Nach seiner Entlassung musste er eine elektronische Fußfessel tragen. Dennoch sei unklar, ob die Tat in Spandau islamistisch motiviert war oder Rafik Y. wegen einer psychischen Störung zustach, sagen Sicherheitskreise.
Es folgten im vergangenen Jahr der Messerangriff der 15-jährigen Salafistin Safia S. auf einen Bundespolizisten in Hannover, der Sprengstoffanschlag junger Islamisten auf einen Sikh-Tempel in Essen (drei Verletzte), die Axtattacke des mutmaßlich pakistanischen Flüchtlings Riaz Khan Ahmadzai in Würzburg (fünf Verletzte), der Selbstmordanschlag des aus Syrien geflohenen Mohammed Daleel in Ansbach (15 Verletzte) und die Todesfahrt des Tunesiers Anis Amri in Berlin mit einem gekaperten Lkw, bei der zwölf Menschen starben und mehr als 50 verletzt wurden.
Terroristisch motivierte Einzelkämpfer
Auffällig sei, dass fast alle Angriffe, die eindeutig terroristisch motiviert waren, von Einzeltätern verübt worden, sagen Sicherheitsexperten. Offenbar sei es dem IS oder Al Qaida bislang nicht möglich, in Deutschland die Infrastruktur für einen schweren Anschlag eines Hit-Teams wie im November 2015 in Paris zu finden. Damals starben 130 Menschen.
In Frankreich und Belgien hätten sich in teilweise verwahrlosten Vorstädten dschihadistische Milieus gebildet, an die der IS andocken könne, hieß es. So schlimm sei es in der Bundesrepublik nicht, eine ähnliche Entwicklung könne aber nicht ausgeschlossen werden. Als Warnzeichen nennen Sicherheitskreise das rapide und offenbar nicht zu stoppende Wachstum der Salafistenszene.
Der Verfassungsschutz zählt inzwischen mehr als 10 000 Personen zum Milieu der ultrastrengen Islamisten. Zumindest ein Teil von ihnen gilt als gewaltbereit.
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