Vorbereitung auf das Coronavirus: Ärzte suchen schon im Baumarkt nach einem Mundschutz
Seit Wochen kaufen die Menschen Atemschutzmasken in großen Mengen. Jetzt könnten die Vorräte in Arztpraxen knapp werden.
Seit Wochen ist es schwer bis unmöglich, in Apotheken und anderswo Atemschutzmasken zu erhalten: Schon bevor das Coronavirus Deutschland erreichte, deckten sich Menschen hierzulande ein. Inzwischen weitet sich der Mangel aber auch dorthin aus, wo der Schutz am dringendsten benötigt wird, wie Recherchen des Tagesspiegels zeigen: Immer mehr Arztpraxen und Kliniken berichten über fehlende Atemmasken.
Bislang reichten in den meisten Praxen die Vorräte zwar noch aus, heißt es aus Kreisen der niedergelassenen Ärzte. Man gehe aber fest davon aus, mit den engen Lagerbeständen nicht für einen Corona-Ausbruch gerüstet zu sein. „Wir kämen bei einer Epidemie mit dem, was wir jetzt haben, nicht hin“, ist von einem offiziellen Standesvertreter zu hören, der nicht namentlich zitiert werden will. Ärzte berichten, dass sie inzwischen in Baumärkten nach Masken suchen, aber auch dort nicht mehr fündig werden.
Kliniken beklagen Lieferengpässe bei Schutzausrüstungen
Bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) heißt es, dass man gerade von 400 Kliniken schriftliche Auskünfte zu der Problematik bekommen habe, also von etwa jedem fünften Haus in der Republik. In einer von zehn Kliniken gebe es demnach Mängel bei den Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) – hier könnten die Lieferverträge nicht mehr vollständig erfüllt werden. Als PSAs gelten neben Masken auch Schutzanzüge: Diese werden bei Corona-Fällen benötigt, da der genaue Übertragungsweg der Krankheit noch nicht klar ist und damit ein Ganzkörperschutz nötig.
Acht Prozent der Häuser gaben gegenüber der DKG an, bei PSA-Bestellungen auf andere Hersteller verwiesen worden zu sein. „Insbesondere bei Knappheit von chirurgischem Mund-Nasen-Schutz ist die medizinische Versorgung problematisch“, erklärt ein DKG-Sprecher. Es gehe dabei unter anderem um chirurgische Eingriffe. „Wann es Auswirkungen auf elektive Leistungen geben wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden.“ Bei elektiven Leistungen handelt es sich um Eingriffe, die nicht sofort durchgeführt werden müssen.
Eigentlich legen Ärzte einen Vorrat für die Grippesaison an
In den Arztpraxen der Republik gebe es generell immer einen Vorrat an Atemschutzmasken, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Man baue damit regulär der saisonalen Grippesaison vor. Ob der Vorrat ausreicht, „wird die Entwicklung der kommenden Tage zeigen“, sagt der KBV-Sprecher. „Über eine jetzt schon bestehende Knappheit liegen uns derzeit keine Informationen vor. Gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen werden wir die Situation beobachten.“
Die Vorräte allerdings dürften im Falle einer Epidemie schnell aufgebraucht und Nachschub kaum zu bekommen sein. Denn viele der Hersteller befinden sich in China, wo erstens Fabriken derzeit wegen der Corona-Epidemie oft nicht mehr produzieren und zweitens der Inlandsbedarf deutlich erhöht ist – wie er auch weltweit genau wie in Deutschland gerade massiv ansteigt.
Am vergangenen Montag habe man letzte Atemschutzmasken im Baumarkt bekommen, heißt es von einem Berliner Arzt, seitdem finde er keinen Nachschub mehr. Betont wird von ihm auch, dass es verschiedene Qualitäten von Atemmasken gebe: Einige seien oft nichts „besseres als ein Tropfenfänger“, andere Masken hingegen böten einen 95- bis 98-prozentigen Virenschutz.
„Große Ratlosigkeit“ bei Zahnärzten
Ein anderer berichtet aus Diskussionen von Zahnärzten in geschlossenen Facebook-Gruppen, bei denen „die Ratlosigkeit groß zu sein scheint“ und vereinzelt auch über die Schließung von Praxen nachgedacht werde. Auch auf Webseiten für Praxisbedarf wird inzwischen darauf hingewiesen, dass es akute Lieferengpässe bei Atemschutzmasken gebe.
Helmut Kesler, Vorstandsmitglied bei der Zahnärztekammer Berlin und dort zuständig für Fragen der Praxisführung und Hygiene, plädiert dafür, „nicht in Panik zu verfallen. Alle notwendigen Behandlungen können bis auf Weiteres unter Beachtung der nötigen Sorgfalt durchgeführt werden.“ Berliner Zahnarztpraxen würden durch die Kammer seit Jahren in Hygienefragen geschult, sagt Kesler.
„Erweiterte Schutzmaßnahmen“ – dazu zählen geschlossene Schutzkittel, Kopfhauben oder eben besonders sichere Schutzmasken – seien „nur bei der Behandlung bereits diagnostizierter oder im dringenden Verdacht einer Coronavirus-Infektion stehender Patienten in Krankenhäusern angezeigt“. Die Gefahr, dass Berliner Zahnärzte in ihren Praxen Kontakt mit Infizierten haben, sei „zur Zeit sehr gering“, so Kesler.
Im Alltag sei derzeit das Tragen von Atemschutzmasken unnötig, heißt es vom Robert-Koch-Institut (RKI). Es gebe keine wissenschaftliche Evidenz, dass das Tragen von Masken im Alltag irgendeinen Sinn hätte, sagte der RKI-Vizepräsident Lars Schaade bei einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag. Seife und Wasser würden im normalen Alltag ausreichen.
Im Vordergrund stehe die Einhaltung der Hygienevorschriften, sagt die Krankenhausgesellschaft
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft betonte gestern, dass die deutschen Krankenhäuser auf eine Corona-Epidemie vorbereitet seien. „Die Kliniken sind bestmöglich aufgestellt und bereiten sich intensiv auf steigende Infektions- und Patientenzahlen vor“, sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum.
Als eine der wichtigsten Maßnahmen wurden die „Prüfung von Beständen und Bevorratung mit persönlicher Schutzausrüstung, Arzneimitteln und viruszerstörenden Desinfektionsmitteln“ genannt. Es gebe auch genügend Ressourcen in den Häusern, Patienten bei einer Epidemie zu isolieren. „Ein Isolierzimmer kann fast jedes Krankenzimmer mit eigener Nasszelle sein“, so die DKG. „Wichtig ist, dass sich eine vorhandene geschlossene Lüftung deaktivieren lässt. Zudem können Zimmer nachträglich mit Schleusen ausgestattet werden. In so einem Fall wird zum Beispiel der Eingangsbereich eines Krankenzimmers mit Folien abgetrennt.“
Im Vordergrund stünden aber die Einhaltung der Hygienevorschriften, die Behandlung von Nebenerkrankungen und die Eindämmung weiterer Infektionen, „zum Beispiel durch die Verringerung der Kontakte auf ein Minimum“.