Soziale Lage in Berlin: Armes Mitte, reiches Pankow
Die soziale Ungleichheit in Berlin verschärft sich weiter. Fast die Hälfte der Kinder in Mitte ist von Kinderarmut betroffen.
Von Chancengleichheit in Berlin kann keine Rede sein. So lässt sich der Bericht des Bezirks Mitte zur sozialen Lage, auch im Vergleich zu den anderen Bezirken, zusammenfassen. „Wird ein Kind in Wedding geboren, ist die Chance auf eine gute Schulbildung, Zugang zum Arbeitsmarkt und somit Selbstverwirklichung wesentlich geringer als zum Beispiel in Pankow“, stellte Stadtrat Ephraim Gothe (SPD), neben Stadtentwicklung auch für Soziales und Gesundheit zuständig, am Freitag bei einem Pressegespräch fest.
Das Risiko, an Übergewicht zu leiden, sei dagegen wesentlich höher. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich verstärken sich nicht nur zwischen den zwölf Bezirken, sondern auch innerhalb des Bezirks Mitte.
Einige Beispiele: 2001 lag das Nettoeinkommen pro Kopf in Mitte bei 775 Euro, in Pankow bei 875 Euro. 2017 betrug es dann in Mitte 1075 und in Pankow 1475 Euro. Innerhalb von Mitte leben im Gebiet Osloer Straße 38,6 Prozent der Menschen unter 65 Jahre von Hartz IV, im Gebiet Brunnenstraße Süd, rund um den Zionskirchplatz, sind es nur fünf Prozent. Der Durchschnitt in Mitte liegt bei 23,8 Prozent.
Die meisten Hartz-IV-Bezieher leben mit 26,2 Prozent in Neukölln, Spandau folgt mit 24,7 Prozent. Mitte liegt auf Platz drei. Die wenigsten Hartz-IV-Bezieher haben Steglitz-Zehlendorf (8,6 Prozent) und Pankow (9,5 Prozent).
Bei der Kinderarmut zeigt sich ein noch trüberes Bild: In ganz Berlin leben 29 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Hartz-IV-Familien. In Mitte sind es 43,5 Prozent, in einigen Gebieten wie rund um die Osloer Straße sogar 64,9 Prozent. Mehr sind es mit 45,3 Prozent nur in Neukölln.
Hier sind die Unterschiede zwischen den Bezirken besonders auffällig: In Pankow sind nur 12 Prozent der Kinder betroffen, in Steglitz-Zehlendorf 12,4 Prozent.
In Pankow ist die Mittelschicht am größten, hier leben die wenigsten ungebildeten Berliner
"Pankow ist der neue Spitzenbezirk“, stellt Gothe fest. Nirgendwo in Berlin ist der Anteil der Bevölkerung über 25 Jahre mit einem niedrigen Bildungsstand (weder Hochschulreife noch Berufsausbildung) geringer als hier: 6,1 Prozent. Ganz hinten liegt mit 25,2 Prozent Neukölln, es folgen Spandau (23,5 Prozent) und Mitte (20,5 Prozent).
Außerdem ist die Mittelschicht nirgends so groß wie in Pankow, wo 81,5 Prozent der Bewohner in diese einzuordnen sind. In Mitte ist die Mittelschicht dagegen mit 64,7 Prozent am geringsten ausgeprägt. Zur Mittelschicht zählen die Haushalte, die weder unter 60 Prozent des bundesdurchschnittlichen Äquivalenzeinkommens verdienen, noch über 200 Prozent davon.
Die soziale Lage einiger Berliner wird durch die Wohnungskrise verschärft. In Mitte geben mehr als die Hälfte der Haushalte mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. Noch kosten 70 Prozent aller Wohnungen im Bezirk unter sechs Euro den Quadratmeter, nettokalt.
Doch bei Neuvermietung werden auch in eher „schlechten“ Lagen, zum Beispiel an der lauten Schulstraße in Wedding, Nettokaltmieten bis zu zwölf Euro abgerufen.
Gothe fordert, den dringend notwendigen Wohnungsneubau gemeinsam mit Brandenburg zu denken. Außerdem müsse er an eine Begrünung von Häusern und Straßen gekoppelt werden.
Parkplätze könnten bei gleichzeitigem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zugunsten von Baumreihen wegfallen. Außerdem müssten gemeinwohlorientierte Bauträger Vorrang erhalten und die Spekulation mit Boden bundesgesetzlich verboten werden.
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