50 Jahre Fernsehturm: Arbeiten im Himmel über Berlin
Seit 50 Jahren prägt der Berliner Fernsehturm das Stadtbild. Jedes Jahr genießen von hier über 1,3 Millionen Gäste die Aussicht. Ein Blick hinter die Kulissen.
Nicht ohne Stolz und in eindeutig berlinerndem Englisch verkündet Michael Vieweg den Touristen in seinem vollen Aufzug: „This is the biggest building in Germany. The biggest building in the European Union.“ Seit 22 Jahren arbeitet der 63-Jährige, der ursprünglich aus der Lausitz stammt, im Berliner Fernsehturm und begleitet Gäste aus aller Welt auf ihrer Fahrt auf die 203 Meter hohe Aussichtsplattform. Dabei erzählt er allerhand über das Spitzenbauwerk, das vor 50 Jahren in der damaligen Hauptstadt der DDR eröffnet wurde.
Viel Zeit hat er dafür nicht: Der Lift schafft die Strecke in 40 Sekunden. Gerade genug um ein paar Fakten über den Turm loszuwerden und die Gäste mit einem Verweis auf das gläserne Aufzugdach zu schocken, durch das einem die Schnelligkeit des Geschosses erst wirklich bewusst wird.
Einer Mitfahrerin wird dabei schwindlig und sie klammert sich an der Haltestange fest. Vieweg erkennt die Situation schnell, unterbricht seinen Vortrag und versucht die junge Frau in ein Gespräch zu verwickeln. „Man kriegt da einen Blick für“, erzählt er später. Lange müsse so ein Gespräch ja auch nicht dauern. Und tatsächlich: In seinen mehr als zwei Jahrzehnten Berufserfahrung sei ihm noch nie jemand umgekippt, versichert er stolz.
Vieweg hat in seiner Zeit als Aufzugführer schon viel erlebt. Mit ihm in der Kabine saßen schon Königin Beatrix, der Boxer Dariuz Michalczewski und SPD-Legende Egon Bahr, der gemeinsam mit seiner Enkelin einen Besuch wagte. Am Schönsten für ihn sei es aber immer, wenn er Pärchen, die gerade in himmlischer Höhe ihren Heiratsantrag hinter sich hätten, wieder auf den Boden bringen könne. „Dieses Glück, was dir da entgegenstrahlt“, sagt Vieweg. „Das ist schon toll!“
Neben den täglich 3500 Gästen wird mit den beiden Aufzügen auch das Restaurant in der Turmkugel beliefert. Denn auf über 200 Meter darf aus Sicherheitsgründen weder gegrillt noch gekocht werden. Die Gerichte werden deshalb morgens in der Küche im Sockel zubereitet und dann in Viewegs Aufzug in die Höhe transportiert. Für die Koordination des höchsten Restaurants der Stadt und seiner weit entfernten Küche ist Sibylle Janke zuständig. Die 43-jährige Lichtenbergerin hat hier 1996 ihre Ausbildung gemacht und arbeitet seitdem in luftiger Höhe.
Berliner kommen selten auf den Turm, sagt Janke
Nach all der Zeit merke man gar nicht mehr, dass man nicht in einem normalen Gebäude ist, sagt Janke. Nur manchmal, wenn es ganz besonders stürmt, fühlt sie an ihrem Schreibtisch wie sich der Turm bewegt. Die Gäste aber würden nichts merken, verspricht sie. Denn die drehten sich ja auf der rotierenden Plattform sowieso.
Es ist wohl das einzige Berliner Lokal, in dem sich die Tische permanent bewegen. Für die Kellner kann das durchaus verwirrend sein - die Küche in der Mitte der Kugel dreht sich ja nicht mit. "Man lässt da am Anfang schon ziemlich viel Kilometergeld", sagt Janke lachend. Mit der Zeit könne man aber einschätzen, in welcher Himmelsrichtung sich das eigene Kellnerrevier gerade befindet.
Zum fünfzigsten Geburtstag der Sehenswürdigkeit hat sich auch die Speisekarte des Turmrestaurants verändert. Unter dem Motto „Zeitreise“, werden Berliner Klassiker wie Eisbein, Kalter Hund und Grüne Wiese angeboten. Bei den Gästen kommt das gut an: Janke berichtet, dass man überlege, einige der Jubiläumsgerichte auf die normale Karte zu übernehmen. Berliner kämen aber tatsächlich recht selten auf den Fernsehturm, und wenn, dann meist mit Besuch, erzählt Janke.
Auch Vieweg bestätigt das kopfschüttelnd. Die Berliner ließen sich etwas entgehen. Stattdessen kämen viele Besucher aus anderen Teilen Deutschlands. Die Frau, die sich zum Beispiel in seinem Fahrstuhl lauthals über das lange Warten beschwert, kommt aus Köln. Vieweg entgegnet ihrer Kritik scherzend: „Aus Köln? Na da brauchen sie nich' meckern! Ihr braucht ja auch ein paar Jahrhunderte, um nur 'nen halb so großen Turm zu bauen.“