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Richter Uwe Kett am Freitag im Saal. Nach 25 Minuten war die Sache erledigt.
© Fatina Keilani

Klage über Skype am Amtsgericht Lichtenberg: Anwälte sehen in digitalen Verhandlungen großes Potential

Ohne technische Probleme handelte das Amtsgericht Lichtenberg am Freitag in 25 Minuten eine Klage ab. Anwälte sehen Chancen für die Zukunft, doch in Berlin fehlt es an funktionierender Technik. 

„Hallo?“ – „Ich seh’ Sie nicht, ah, jetzt doch“: Völlig ohne technische Probleme verhandelte das Amtsgericht Lichtenberg am Freitag eine Zivilklage über Skype – ein Novum auch für Richter Uwe Kett, der dies initiiert hatte.

Saal 2216, ein schmuckloser Raum im Neubau, 11 Uhr. Die Verbindung wird hergestellt. Das W-Lan des Gerichts ist zu schlecht, um eine solche Videokonferenz zu stemmen. Das wusste Kett vorher schon. Er schließt seinen privaten Laptop an einen mobilen LTE-Router an, den er vom Kammergericht geliehen bekommen hat, zunächst für einen Monat. Mit einem Richterkollegen hat er vorher geprobt, damit bei der Verhandlung nichts schiefgeht.

Und es läuft glatt. Seinen Laptop hat Kett mit dem großen Bildschirm verbunden, der im Saal hängt; die „Öffentlichkeit“, wenn sie anwesend wäre, könnte ebenfalls die Parteien sehen.

Kett diktiert ins Protokoll, dass sich die Parteien „mit Gestattung des Gerichts“ in ihren jeweiligen Büroräumen aufhalten und dass die Verhandlung an diese Orte zeitgleich übertragen werde. Dann weist er alle darauf hin, dass sie keine Aufzeichnungen anfertigen dürfen.

Aus Ulm und vom Kudamm sind die Parteien zugeschaltet

Der Kläger sitzt mit seiner Anwältin in deren Büro in Ulm. Die stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung der Beklagten, eines Autoteilehandels, sitzt in ihrem Büro am Kudamm. Es geht um einen Kompressor, den der Kläger Herr R. für seinen Bus gekauft hat und den er für mangelhaft hält, weil der Bus beim Fahren Pfeifgeräusche macht. Er hat das Gerät zurückgeschickt, will sein Geld zurück und Schadensersatz. Der Verkäufer hat es beim Hersteller überprüfen lassen, der zu dem Schluss kam, das Gerät sei fehlerhaft. Unklar bleibt, ob es von Anfang an mangelhaft war. Der Kläger hätte jedenfalls, so will es das Kaufrecht, dem Verkäufer die Chance zur Nacherfüllung geben müssen. Die Zeit hatte er nicht, er braucht den Bus und kaufte einen neuen Kompressor. Nach 25 Minuten sind ein Vergleich und die Verhandlung geschlossen. Herr R. bekommt den Kaufpreis zurück, aber nicht mehr. Die Alternative wäre ein aufwendiger Prozess mit Gutachter und Zeugen gewesen, das wollte keiner. Die Sache ist erledigt.

Was das für Wege spart!

Der eigentlich alltägliche Fall lässt ahnen, welches Potenzial das Verhandeln per Videocall hat. Die Ulmer Anwältin musste keinen Terminsvertreter suchen, sondern konnte selbst verhandeln. Zudem dient die Videoverhandlung dem Infektionsschutz - statt im Corona-Lockdown massenhaft Termine aufzuheben, hätte man einige von ihnen auf diesem Wege verhandeln können. Die Anwaltschaft hatte das auch gefordert.

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Rechtlich ist es schon seit sieben Jahren möglich. Nur dass die meisten Berliner Gerichte nicht die nötige Technik haben. Lichtenberg schon, doch dort funktioniert sie, wie berichtet, derzeit nicht.

In Massenklageverfahren wie den Dieselfällen könnte sich das Skypen auch bezahlt machen. „Wir haben 27.000 Diesel-Mandate in ganz Deutschland“, sagt Romy van de Loo von Gansel Rechtsanwälte. „Wir greifen dafür meist auf Terminsvertreter zurück. Per Video könnten wir mehr Termine selbst wahrnehmen.“

Spezialisten für die Provinz

Die Plattformökonomie hat auch die Anwaltschaft erreicht. Über Plattformen wie AdvoAssist schreiben Kanzleien ihre Termine aus, Anwälte können sich darauf bewerben. Mit Video könnte also auch ein weit entfernter, dafür hoch spezialisierter Anwalt an einem Verfahren teilnehmen, für das sich, etwa in einer Kleinstadt, kein passender örtlicher Vertreter gefunden hätte.

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