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Wo anfangen mit dem ABC? Familien haben es schwer bei der Wahl der Grundschule - viele meiden die ihnen zugewiesene Schule.
© picture alliance / dpa

Schuljahr 2019/20 in Berlin: Anmeldezahlen der Oberschulen unter Verschluss

Bildungsverwaltung will "undifferenzierte Negativlisten" vermeiden. Für die Grundschulen gilt das nicht: Hier sind die Zahlen.

Die Bildungsverwaltung will nicht bekannt geben, wie viel Anmeldungen es aktuell für die einzelnen Gymnasien und Sekundar- und Gemeinschaftsschulen gibt. Damit sollten „undifferenzierten Negativlisten“ vermieden werden, argumentiert Bildungs-Staatssekretärin Beate Stoffers (SPD) in der Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck. Damit bleibt Stoffers auf der Linie ihres Vorgängers Mark Rackles (SPD), der sich seit Jahren immer wieder geweigert hatte, diese Daten herauszugeben.

Von Stoffers bekanntgegeben werden hingegen die entsprechenden Zahlen für die Grundschulen, die Langenbrinck ebenfalls erfragt hatte. Auch Rackles hatte diese Zahlen nicht unter Verschluss gehalten, obwohl sich mit ihrer Hilfe ebenfalls "Negativlisten" erstellen ließen - wenn man das wollte.

Drei Bezirke fehlen

Nicht alle Bezirke haben ihre Abmeldezahlen an den Senat weitergeleitet: Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln und Treptow-Köpenick fehlen in der Antwort an Langenbrinck. Den übrigen Bezirkslisten lässt sich entnehmen, wie viele Erstklässler die ihnen gemäß Einzugsgebiet zugewiesene Schulen meiden und Wechselwünsche in andere Schulen stellen. Vermerkt ist sogar, ob sie im selben Bezirk bleiben. Zudem ist genau aufgelistet, wie viele Kinder von ihren Familien an den einzelnen Schulen angemeldet wurden, obwohl sie dort nicht zum Einzugsgebiet gehören: Dieses Phänomen betrifft Tausende Schulplätze.

Hier stimmen Eltern mit den Füßen ab

So gibt es etwa in Mitte an der Papageno-Schule weit über 100 Anmeldungen von Kinder, die eigentlich in einem anderen Einzugsgebiet wohnen. Auch für die Anna-Lindh-Grundschule, die Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule (Klasse 1 bis 13), die Erika-Mann-Schule sowie für die Grundschule am Brandenburger Tor wird eine hohe zweistellige Zahl von Schülern genannt, die an diesen Schulen gern eingeschult würden, obwohl sie vom Schulamt einer anderen Schule zugewiesen wurden. In Kreuzberg etwa bleibt die Reinhardswald-Schule Favoritin der Eltern, aber auch die Rosa-Parks-Grundschule hat laut Bezirksliste viele Anmeldungen aus anderen Schulen. Auffällig ist etwa auch die hohe Nachfrage nach dem Spanisch-Europaschulzweig der Hausburgschule in Friedrichshain oder nach dem Englisch-Zweig der Quentin-Blake-Schule in Zehlendorf. In Spandau fallen Konkordia-, Linden- und Paul-Moor-Schule aus dem Rahmen, in Steglitz etwa die Anna-Essinger-Schule, um weitere Beispiele zu nennen.

Jetzt bloß keinen Fehler machen.
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© Kai-Uwe Heinrich

Viele Gründe für Wechselwünsche

Auf die Frage, warum die Nachfragezahlen für die Grundschulen, nicht aber für die Oberschulen veröffentlicht werden, antwortete die Bildungsverwaltung, dass die Wechselwünsche "ganz unterschiedliche Gründe" haben könnten. Oft stünden sie im Zusammenhang mit dem  Schulprofil. Es könne auch sein, dass ein Wechselwunsch mit einem geänderten Einzugsgebiet oder mit einem Geschwisterkind zusammenhänge. Außerdem spielten "der konkrete Standort, die Erreichbarkeit und das Vorhandensein von attraktiven Grundschulen in freier Trägerschaft im Umfeld eine Rolle", erläuterte die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Iris Brennberger auf Anfrage. In "einzelnen Fällen" hätten "sicherlich auch Medienberichte eine Auswirkung darauf, ob Grundschulen besonders beliebt oder besonders kritisch gesehen werden".

Merkwürdig an dieser Argumentation ist allerdings, dass fast all diese Punkte auch für Oberschulen gelten. Insofern ist für Eltern nicht ganz nachvollziehbar, dass die Zahlen für die Oberschulen unter Verschluss gehalten werden, für Grundschulen aber nicht.

Einzugsgebiete werden geändert

Denn auch für die Grundschulen offenbaren die Anmeldelisten sehr unangenehme Tendenzen: So gibt es unbeliebte Schulen, deren Einzugsgebiete von den Schulämtern besonders groß geschnitten wurden, damit genug Schüler zusammenkommen - ein Effekt, der sich aber nicht unbedingt einstellt. Es gibt Schulen, denen Dutzende oder sogar weit über 100 Kinder per Umschulungsantrag zu "entkommen" versuchen. Zudem versuchen Schulämter, bestimmten Schulen sozial "bessere Straßenzüge" zuzuschlagen, um die Schülermischung günstig zu beeinflussen. Auch diese Rechnung geht nicht immer auf.

Das bange Warten auf den Bescheid vom Schulamt

Etliche Schulen - wie etwa die Gustav-Falke-Schule in Mitte - haben es geschafft, mit speziellen Förderkonzepten nachhaltig das Vertrauen der Eltern zu gewinnen. Mitunter sind Eltern auch bereit, ihr Kind an eine Brennpunktschule zu schicken, wenn ihnen zugesagt wird, dass einige Kinder aus ihrer Kitagruppe in die gleiche Klasse kommen. In jedem Fall machen bildungsinteressierte eine schwere Zeit durch, wenn sie erkennen müssen, dass ihre Einzugsgebietsschule keine überzeugendenden Konzepte zu bieten hat, dafür aber jede Menge sozialen Sprengstoff mit einer Vielzahl von Problemkindern. In diesen Tagen und Wochen werden die Bescheide der Schulämter verschickt. Rund zehn Prozent der Familien haben sich bereits einen Platz an einer freien Schule gesichert, um nicht auf die Entscheidungen der Schulämter angewiesen zu sein.

Schon 2012 hatte eine Forschergruppe nachgewiesen, wie stark bildungsinteressierte Eltern mittels der Grundschulwahl versuchen, ihren Kindern vermeintlich "schlechte" Lernumfelder zu ersparen: Die Entmischung der Grundschulen schreitet daher voran. Eine Folge davon ist, dass an rund 35 Schulen 90 bis 100 Prozent der Kinder Deutsch nicht als Muttersprache sprechen.

Die Antworten der Bildungsverwaltung auf die Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck mit den Listen der Anmeldezahlen und Wechselwünsche finden Sie HIER.

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